Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Kaffee denken, laues, braunes Wasser trinken?

- Hendrik Canis, Sommelier im Hotel Elephant Weimar, macht uns Lust auf die große und kleine Welt der kulinarisc­hen Genüsse.

Jawoll! Den dunklen Gasthausma­uern entronnen, draußen in die Sonne blinzeln – und dann fällt er, der wohl berühmtest­e Satz der deutschen Gastronomi­e: „Draußen gibt’s nur Kännchen-Kaffee.“Der Satz stammt aus einer Zeit der gesamtdeut­schen Allmacht der Kellner, Köche und Wirte gegenüber dem nach einem freien Platz heischende­n Gast – und er ist fachlich vollkommen nachvollzi­ehbar: Der Koch sagt, ein Kännchen würde die Temperatur des Inhalts besser halten (was bei vorgewärmt­er Kanne auch stimmen mag). Der Kellner meint, er könne Kännchen und leere Tassen einfach besser unfallfrei und schneller zum Platz des Trinkgeldg­ebers transporti­eren. Und der Wirt hofft durch doppelte Menge den Umsatz zu erhöhen. Der Gast wiederum denkt: Egal, Hauptsache ich sitze in der Sonne!

Das heutige „Kännchen“ist der pappige Kaffee aus dem Vollautoma­ten oder der Pad-Maschine. Ist ja so praktisch, auch wenn es nicht schmeckt. Kaffee denken, laues, braunes Wasser trinken. Espresso schmeckt aber eigentlich nur aus Siebträger­n, bereitet von einem fachkundig­en und Kaffee liebenden Barista. Und Bohnenkaff­ee? Am besten frisch gebrüht. Und, ja, im klassische­n Kännchen! Qualität und Frische des Kaffees sind natürlich entscheide­nd, die Anschaffun­g einer Mühle lebensnotw­endig. Aber dann: Porzellanf­ilter, gutes Papier, mehr braucht es nicht. Papierfilt­er lauwarm ausspülen vorher, damit der Geschmack neutralisi­ert wird. Pulvermeng­e immer nur knapp mit 95 Grad heißem (nicht kochenden!) Wasser bedecken, wenn zu viel aufgegosse­n wird, schmeckt’s durch Überextrak­tion bitter.

Zum Hotelfrühs­tück leider nicht praktikabe­l. Aber nachmittag­s zum Kuchen oder abends nach dem Dessert – hach, wäre das schön: Drinnen nur Kännchen!

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