Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Stipendien sind nicht nur etwas für Überflieger
Stiftungen haben die unterschiedlichsten Kriterien, warum sie Studenten fördern. Für fast jeden gibt es die passende Nische
Thomas Stange hat es geschafft. Er hat im vergangenen Jahr sein Masterstudium in Europäischer Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) erfolgreich absolviert. „Ich habe mich erst spät für ein Studium entscheiden“, sagt der 33-Jährige. Er verließ die Schule mit dem mittleren Schulabschluss, begann eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer, holte mit 25 Jahren das Abitur nach. 2010 bewarb er sich für den Bachelorstudiengang Kultur und Technik.
Als er über eine Freundin von der Möglichkeit hörte, das Studium mit einem Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu finanzieren, bewarb er sich. Von 2012 bis 2017 war Stange Stipendiat der Stiftung. „Ich wurde auch aufgenommen, weil meine Eltern nicht so viel Geld verdienen“, sagt er. Das Stipendium sei auch als eine Art Rückenstärkung für Menschen zu verstehen, die es im Leben nicht so leicht haben, erklärt Thomas Stange.
Jede Tätigkeit, mit der man anderen hilft, wird berücksichtigt
„Jeder, der studieren möchte, sollte sich genau über Stipendien informieren“, findet Wolf Dermann, Mitgründer von Arbeiterkind.de. Die Initiative fördert seit zehn Jahren Jugendliche auf ihrem Weg an die Hochschule. Voraussetzung: Die Eltern dürfen nicht studiert haben. Mittel sind ein großes Informationsangebot, Mentoren und Stipendien.
„Es kommt nicht darauf an, dass man ein Einser-Abi hat, ob die Eltern viel oder wenig Geld verdienen“, sagt Dermann. Ins Gewicht falle hingegen etwa das Engagement in einem Ehrenamt. Dabei müsse man die Latte gar nicht so hoch legen, erklärt er. Auch Schulsprecher gewesen zu sein oder eine Tätigkeit auszuüben, die zum Ziel habe, dass es anderen besseren geht, würde bei der Bewerbung um ein Stipendium berücksichtigt.
Zu den Begabtenförderungswerken wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung gehört auch die Studienstiftung des deutschen Volkes. Sie ist politisch, konfessionell und weltanschaulich unabhängig und Deutschlands größtes und ältestes Begabtenförderungswerk. Die Höhe des Stipendiums entspricht den Förderbeträgen des BAföG, nur muss das Geld nicht zurückgezahlt werden.
Darüber hinaus gibt es in Deutschland mehr als 2000 kleine Stiftungen, die Studenten sehr individuell fördern. So vergibt etwa die Ikea Stiftung Stipendien für Abschlussarbeiten auf dem Gebiet des Wohnens und die Veith-Berghoff-Stiftung finanziert Stipendien für Studierende der Schiffs- und Meerestechnik. „Die kleinen Stiftungen bieten meist nur eine finanzielle Förderung, die Begabtenförderungswerke hingegen auch eine ideelle“, sagt Wolf Dermann von Arbeiterkind.de. Die ideelle Förderung umfasst zum Beispiel Workshops, Ferienakademien, Seminare und Beratung. „Durch mein Stipendium wurde ich zusätzlich dazu angeregt, mich mit Fragen meiner Herkunft auseinanderzusetzen und zu hinterfragen, welchen Einfluss meine Sozialisation auf meinen beruflichen Werdegang hat“, sagt zum Beispiel Thomas Stange.
Manche Stipendien unterstützen Auslandsaufenthalte
Auch Auslandsstationen sind mit Stipendien möglich. Till Mahler ist Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung. In seiner Bewerbung konnte er mit ehrenamtlichem Engagement punkten. Inzwischen studiert der 25-Jährige International Business Management. Dank der Auslandsfinanzierung durch die Stiftung konnte er zwei Semester in China verbringen.
Grundsätzlich erhält er eine monatliche Zuwendung in Höhe des BAföG-Satzes plus 300 Euro Studienkostenpauschale. „Für China haben sie noch mal 250 Euro monatlich draufgelegt und einen Sprachkurs finanziert“, erzählt er. Nun gehören auch Kenntnisse in Mandarin zu seinem Sprachschatz. Für den in einem politisch grünen Umfeld aufgewachsenen Berliner lag die Bewerbung bei der Heinrich-Böll-Stiftung nahe. Bölls Werke seien „politisch noch ebenso aktuell wie vor 40 Jahren“, findet Mahler. In der Regel erwarten die Stiftungen von ihren Stipendiaten, dass sie sich an den Begleitprogrammen beteiligen, selbst Arbeitsgruppen oder Treffen initiieren und sich mit den anderen Stipendiaten vernetzen.
Wolf Dermann von Arbeiterkind. de ermutigt darum jeden, sich zu bewerben – auch diejenigen, die noch zweifeln, ob es fu r sie ein passendes Stipendium gibt. In aller Regel trifft das zu.