Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Der Ethikbeirat als Zuhälter
„Ich bau Aggressionen ab durch Vergewaltigungen von Bordsteinschlampen!“– „Kid, ich würde lügen, wenn ich sagen würde: Nein, ich habe nie ‘ne minderjährige Bitch missbraucht.“– „Nutte, was? Ich komm mit ’ner Horde Hunde plus Zuhältern, die dich ermorden, Tunte!“
Zugegeben, ich war im ersten Moment entsetzt. Sowas wird bei uns öffentlich vorgetragen, auf YouTube hochgeladen und auf CD gepresst? Tja, in welcher Welt lebe ich eigentlich? Die „Gangsta“-Rapper stürmen schon seit Jahren die Charts, werden millionenfach geklickt und von ihren Labels als Sprechkünstler vergöttert. Dabei skandieren sie, in vulgärer Macho-Pose, doch meist nur wirres Zeug. Der Auftritt – eine rhythmische Mischung aus infantilem Geschwätz und frauenverachtender, gewaltverherrlichender Selbstinszenierung.
Meinetwegen. Sollen sie sich doch gegenseitig als „stockschwul“und „muttergefickte Schlampen“betiteln. Wenn’s dem Ego dient. In sogenannten „BattleRaps“, habe ich gelesen, gehe es ja um nichts anderes, als sich zu erhöhen, indem man den Konkurrenten wortreich niederringt. Sollen sie sich doch im Netz mit Unrat überkübeln, einander die Fresse polieren und mit ihren „Zuhältertapes“prahlen. Das ist zwar ekelhaft, doch, da von der Kunstfreiheit gedeckt, wohl kaum zu verhindern.
Aber muss man sie dafür auch noch loben?
Der Skandal bei der Verleihung des „Echo“-Preises an die Rapper Kollegah und Farid Bang besteht nicht in erster Linie in den immer wieder zitierten Textzeilen aus dem Album „Jung Brutal Gutaussehend 3“: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“und „Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm’ an mit dem Molotow“. Klar, wird da – gedankenlos oder mit Kalkül – ein Vokabular gewählt, das den gesellschaftlichen Aufschrei provoziert. Klar, wird da – fahrlässig oder bewusst – die Hemmschwelle gesenkt und Völkermord zur Bagatelle herabgestuft. Der eigentliche Skandal besteht jedoch darin, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen diesen Typen auch noch den roten Teppich ausrollt. Und dass es gar keine anderen Kriterien für einen „Echo“gibt als Chartposition und Verkaufszahlen.
Sollen sich doch die Plattenfirmen an diesem Schund dumm und dämlich verdienen. Sollen sie doch ihren quotenbringenden Quasselstrippern Nasen aus Gold und Platin verpassen. Nur, über Kunst, über Qualität, Anstand und Preiswürdigkeit sollten andere entscheiden.
Provokationen seien allgemeines Stilmittel der Rapper, hat der Ethikbeirat des Bundesverbands der deutschen Musikindustrie argumentiert und damit die Nominierung von Kollegah und Farid Bang abgesegnet. Nun folgt der Aufschrei: Was ist das für ein Gremium, das diesen rüden Sprachgangstern die Steigbügel hält?