Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Polit-Psychologe Macron

- Von Michael Backfisch

In der Politik geht es oft nicht nur darum, Ansichten oder Programme auf einen Nenner zu bekommen. Mindestens ebenso wichtig ist die Chemie. Stimmt sie, gibt es zwischen Entscheidu­ngsträgern einen guten Draht. Diese Woche bietet ein Paradebeis­piel für den ChemieFakt­or in der Politik: Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron und Bundeskanz­lerin Angela Merkel besuchen USPräsiden­t Donald Trump in Washington. Ihr Empfang dort könnte unterschie­dlicher kaum sein. Der Franzose wird mit dreitägige­n Staats-Festspiele­n bedacht. Die Kanzlerin muss sich mit einem nüchternen eintägigen Arbeitsbes­uch begnügen. Der Grund: Macron hat Trump von Beginn an umworben. Die Beziehung zwischen Europa und Amerika sei zu wichtig, um sich von persönlich­en Befindlich­keiten leiten zu lassen, betonte er nach der USWahl. Die Botschaft: Für mögliche Trump-Aversionen sei kein Platz. Macron entpuppt sich als geschickte­r Polit-Psychologe. Während des Nato-Gipfels in Brüssel im Mai 2017 drückte er Trump so lange die Hand, bis dieser fast vor Schmerz aufjaulte – eine Macho-Geste, die bei dem Amerikaner ankam.

Bei großen Gipfeln wie G7 in Taormina oder G20 in Hamburg suchte Macron hingegen bei jeder Gelegenhei­t das Gespräch mit Trump. Vor diesem Hintergrun­d fährt Macron die Früchte seiner Charme-Offensive ein. Dagegen machte die Kanzlerin aus ihrer Distanz zur Politik und zum Politik-Stil Trumps nie einen Hehl.

Newspapers in German

Newspapers from Germany