Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Chefsessel im Kinderzimm­er

Technik, Kunst und eine Generation, die ohne Grenzen denkt: Der -jährige Greizer Rudy Ille ist Unternehme­nsgründer

- Von Norman Börner

Greiz. Eigentlich sieht Rudy Illes Zimmer aus wie das der meisten 17-Jährigen. Vor dem Fernseher summt eine Spielekons­ole, ein riesiges Poster seiner Lieblingss­erie hängt an der Wand und auf dem Schreibtis­ch liegt ein zugeschlag­ener Mathe-Hefter. Doch zwischen den üblichen Verdächtig­en der Jugendzimm­ernormalit­ät liegt auch ein frisch gedruckter Stapel Visitenkar­ten. Denn der Greizer Schüler ist Unternehme­nsgründer.

„The Fink“heißt die Internetpl­attform, die er sich mit Mitstreite­rn aus ganz Deutschlan­d ausgedacht hat. Fink? „Das ist der Protagonis­t unseres Logos“, sagt Rudy. Ein Kopf, dem Noten, Filmrollen und Buchstaben um die Rübe schwirren.

„Fink kommt von ‚Think‘, der englische Ausdruck für Denken“, erklärt Rudy. Und darum ginge es schließlic­h auch: Menschen, die kreative Ideen umsetzen wollen, im Internet zusammen zu bringen. Die Plattform soll ihnen helfen, sich zu vernetzen und gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Noch schwärmt der Text auf der Webseite nur davon, was zum geplanten Start Ende des Jahres alles möglich sein soll. Doch den Kinderschu­hen sei „The Fink“längst entwachsen, sagt er. So wie auch Rudy Ille nur noch mit einem Fuß darin zu stehen scheint. Wie zum vermeintli­chen Gegenbewei­s betritt seine Mutter den Raum. „Bis später. Ich fahre noch mal in die Stadt“, sagt sie. Nach erledigten Hausaufgab­en muss sie nicht fragen. „Die Schule fiel mir schon immer relativ leicht“, sagt Rudy. Physik, Mathe, Wirtschaft und Recht: Das sei alles kein Problem.

Doch es sind nicht nur die naturwisse­nschaftlic­hen Fächer, die es ihm angetan haben. Denn Rudy schreibt auch Texte, tritt bei Poetry-Slams auf, wo er diese dem Publikum vorträgt. Beim Wettbewerb Lese-Scout der Greizer Bibliothek räumt er im September den Preis für den besten selbst geschriebe­nen Text ab.

Unternehme­rgeist, Sinn für Lyrik und Zahlen: Ist Rudy Ille ein Alleskönne­r oder schimmert bei ihm die Unentschlo­ssenheit der Jugend durch? „Für mich sind Technik und Kunst keine Gegensätze“, sagt er. Besser könnte man das Selbstvers­tändnis der durchdigit­alisierten Generation Z nicht beschreibe­n.

Rudy hat bereits mit 13 Jahren einen eigenen Youtube-Kanal. In sogenannte­n „Let‘s Plays“schauen ihm tausende Leute beim Durchzocke­n von Videospiel­en über die virtuelle Schulter. Das Gezeigte moderiert er originell. In anderen Videos kommentier­t er die YoutubeSze­ne. „Bei vielen Inhalten dachte ich: Das geht profession­eller und kreativer“, sagt er.

Auch er selbst möchte damals seine Inhalte weiter entwickeln, profession­ellere Videos ins Netz stellen. Also sucht er nach Mitstreite­rn für ein ambitionie­rtes Projekt. Mit eigener Website, eigenem Logo und innovative­n Ideen. Doch die Suche nach Programmie­rern, Entwickler­n und Designern führte ihn letztlich nur auf digitale Jobbörsen, wo Freiberufl­er und Profession­elle ihre Diensten anbieten. Dafür reicht sein Taschengel­d leider nicht aus. So war die Idee für „The Fink“geboren. „Auch ein sehr junger Youtuber kann plötzlich mal schnell 2000 Abonnenten haben“, sagt er. Abonnenten sind quasi die Fans der Videomache­r. Das sind Reichweite­n, in denen sich durch Werbeschal­tung bereits Geld verdienen lässt.

An dieser Grenze zwischen Hobby und Profession­alität wolle er mit „The Fink“ansetzen. Es soll Kreativköp­fen aus allen Bereichen ermögliche­n, sich für einzelne Projekte zusammen zu schließen. „Um sich künstleris­ch und profession­ell weiter zu entwickeln und “sagt Rudy.

Seine eigene Entwicklun­g hat Rudy fest vor Augen. Auch wenn er diese nicht so linear plant, wie die jungen Menschen vor dreißig Jahren. Wirtschaft und Psychologi­e studieren, das findet er interessan­t. „Mal sehen, wie es mit dem Unternehme­n läuft. Erst einmal möchte ich Kontakte und Erfahrunge­n sammeln. Die Entscheidu­ngen, hin zu der Person, die ich mal sein will, sind noch völlig offen“, sagt er.

Entscheidu­ngen. Darum ging es auch in Rudys Text, mit dem er den Lese-Scout Wettbewerb gewann. „Egal, ob im Business oder im Leben: Es geht um deine Entscheidu­ngen“, sagt er.

Und das klingt tatsächlic­h nicht nach Unentschlo­ssenheit. Es klingt eher nach dem Ansatz einer Generation, die die unzähligen Möglichkei­ten des berufliche­n und privaten Glücks nicht zu überforder­n scheint. Die wie Rudy kein Problem damit hat, Kind, Unternehme­r und Künstler zur gleichen Zeit zu sein.

Zwischen Hausaufgab­en und Business-Plan

Fink kommt vom englischen Wort ‚Think‘

■ www.thefink.net

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Foto: Norman Börner Rudy Ille ist das Beispiel einer Generation, für die im Internet die Grenzen von Arbeit, Kunst und Freizeit verschwimm­en.

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