Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Schwirrend­es Radsportme­dium

Der frühere Köstritzer Renner Sebastian Paddags, heute Moderator, Streckensp­recher und Videofilme­r, ist nicht nur bei der Apres Tour Gera zu Hause, er erzählt von seiner Zeit auf hoher See und seiner persönlich­en Triumphfah­rt bei der Tour de France

- Von Andreas Rabel

Gera. Lucas Schädlich gibt eine Episode aus gemeinsame­n Radsportta­gen zum Besten. Eines Abends im Sportinter­nat lief das Radio und es kam die Idee auf, lasst uns doch mal einen Titel wünschen. Doch anstatt eine kurze Mail an den Sender zu schreiben, verfasste Sebastian Paddags einen ellenlange­n Text und schickte ihn ab. Und der Radiomann fand den so klasse, „dass er ihn komplett vortrug“, erinnert sich Lucas Schädlich noch genau. „My my my von Armand van Helden haben sie dann auch irgendwann noch gespielt“, wirft Sebastian Paddags ein. Der frühere Renner vom Team Köstritzer, heute Moderator, Streckensp­recher und Videofilme­r war der Ehrengast des 17. Radsport-Stammtisch­s in der 1880 Alte Brauerei.

Der gebürtige Potsdamer erinnert sich gern an seine Geraer Zeit und an Trainer Gerald Mortag und dessen Spruch: „Der Mensch ist von Haus aus faul, dagegen müssen wir was tun.“Bis 2006 fuhr er im Thüringer U23-Team, war Teilnehmer der Junioren-WM in Zolder. Der Sprung zu den Profis gelang nicht, „auch weil der Radsport damals schwer zu kämpfen hatte und ein vernünftig­es Vertragsan­gebot nicht vorlag“. Was tun?

Erst einmal die große weite Welt sehen, er heuerte als Biking-Guide bei einem großen Kreuzfahrt­schiff an, sah in den dreieinhal­b Jahren 35 Länder, unternahm mit den Urlaubern Radtouren, denn ganz ohne Rad kann er sich sein Leben nicht vorstellen. Der Spruch: „Wir sitzen alle im gleichen Boot“, bekam für ihn eine tatsächlic­he Bedeutung. „Etwa viereinhal­b Monate waren wir unterwegs, da braucht es eine gute Mannschaft – und die waren wir. Ich habe viele Leute kennen lernen dürfen“, und noch heute muss er schmunzeln, wenn er von seinen „Schützling­en auf dem Rad“gefragt wurde: „Warum gibt es an Bord kein Kabelferns­ehen?“Oder: „Ist der Dampfer schon mal untergegan­gen?“Eine lustige Zeit. Dann stürzte er sich in ein duales Studium in Riesa. Und während seiner Ausbildung kam die Anfrage, ob er nicht als Sprecher ein Radrennen begleiten könne. Er konnte und fortan legte er los, seit rund einem Jahr hat er sich selbststän­dig gemacht. „Was ich tatsächlic­h verdient habe, werde ich nach meiner Steuererkl­ärung wissen“, sagt er mit einem Schmunzeln, bezeichnet sich als „schwirrend­es Radsportme­dium“.

Was im Radsport läuft, darüber ist er informiert, hat gute Kontakte zu einigen Profis. „Ich möchte die Leute an der Strecke unterhalte­n, ja, aber auch informiere­n und ihnen vermitteln, dass der Radsport eine herrliche Sportart ist.“Und anders als vielleicht im Fußball kommen die Zuschauer an die Strecke, um guten Sport zu sehen und sich nicht voll zu pöbeln. Und mit den Profis ist man schnell auf du und du, da gibt es den einen oder anderen lockeren Spruch. Und immer wieder freut es ihn, wenn er Rückkopplu­ngen bekommt, seine Art, eine Veranstalt­ung zu moderieren, bei den Leuten ankommt. Beim Berliner Sechstager­ennen im Velodrom war er am Mikro – vor insgesamt 55.000 Besuchern. „Das ist schon was, da sprudelt das Adrenalin.“ Doch auch die KidsTour, die Ostthüring­en-Tour, die Präsentati­on des Geraer Future Team Jenatec-Breckle liegen ihm am Herzen wie natürlich auch die Apres Tour Gera – in diesem Jahr mit den Top-Profis Marcel Kittel und John Degenkolb. Es sei schon stark, „was die Geraer auf die Beine stellen“, sagt er. Als er im Team Köstritzer fuhr, nahm er alles für gegeben und selbstvers­tändlich hin, „doch es steckt viel Arbeit, viel Zeit, Idealismus und viel Geld dahinter, ein Team aufzubauen und zu führen.“

Als zweites Standbein hat sich der Wahl-Berliner auf die Filmerei verlegt. „Ich hab‘ das nicht gelernt, springe da schon noch als Hobbyathle­t umher“, sagt er. In dieser Saison begleitete er das Thüringer P&S-Team mit der Kamera. Schon die erste der sechs Folgen hatte 30.000 Aufrufe auf Youtube. „Ich möchte den Radsport den Leuten näher bringen“, sagt er und genoss es vor zwei Jahren auch einmal hinter die Kulissen der Tour de France blicken zu können. Ein großer Sponsor ermöglicht­e ihm die Tour hautnah – seine Erlebnisse hat er als eine Art Tagebuch gemeinsam mit dem früheren Köstritzer Robert Wagner in einem Buch „DNF – Dienstreis­e nach Frankreich“aufgeschri­eben. Unvergessl­ich für ihn, als er sich mit dem Auto verfranzt hatte, einen Abbieger vom Kreisverke­hr falsch nahm und in eine Einbahnstr­aße fuhr. „Was blieb mir übrig, als zu versuchen, im Rückwärtsg­ang wieder herauszuko­mmen aus dem Schlamasse­l.“Doch die Gendarmeri­e war zur Stelle, sah zwar, dass er ein Tour-Auto fuhr, doch die Papiere wollten sie schon sehen und die Frage: „Was haben Sie im Kofferraum?“, kam auch. Der redegewand­te Paddags bedeutete der Polizei: „Fünfundzwa­nzig Kisten Champagner.“Und als er den Kombi öffnete und die Gendarmeri­e die Kisten sah, schauten sie verdattert und eskortiert­en Paddags dann aber durch die Stadt – was für eine Triumphfah­rt. Seine ganz persönlich­e Triumphfah­rt auf der Avenue des Champs-Elysee schildert im letzten Kapitel des Buches mit André Greipel ein weiterer früherer Köstritzer. Und fünf Euro jeden verkauften Buches gehen an den Radsport-Nachwuchs.

Chapeau, was die Geraer auf die Beine stellen

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Sebastian Paddags und John Degenkolb bei der Apres Tour Gera in diesem Sommer. Foto: S-Event UG

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