Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Es gbt ein Leben nach dem Tagebau

- Von Cornelia Wolter

Karg und surreal sieht die Landschaft aus. Sie erinnert an Dünen – doch ein Meer ist weit und breit nicht zu sehen. Hier und da wachsen struppige Gräser, auch einige Nadelbäume haben sich angesiedel­t. Unweit von Luckau in der Niederlaus­itz haben sich vier Jahrzehnte lang Kohleabrau­mbagger bis zu 40 Meter tief in die Erde gewühlt und die Landschaft komplett zerstört. Sieben Ortschafte­n wurden weggebagge­rt, Teiche und Wälder verschwand­en für immer.

Doch die Krater der Mondlandsc­haft, die zurückblie­ben, füllten sich nach und nach wieder mit Grundwasse­r. Teile des Gebiets wurden unter Naturschut­z gestellt. Und im November 1999 dann der große Glückfall: Der Tierfilmer Heinz Sielmann besuchte mit seiner Frau die Region. „Er war zunächst wenig begeistert von der öden Landschaft“, erinnert sich Ralf Donat, Naturführe­r vom Heinz-Sielmann-Natur-Erlebnisze­ntrum in Wanninchen. Doch Inge Sielmann erkannte das Potenzial. Heute hat die Heinz-Sielmann-Stiftung rund

3300 Hektar ehemalige Tagebauflä­che gekauft und für den Naturschut­z gesichert. Die Naturschüt­zer können Erfolge vermelden.

Folgen des Bergbaus

Der Abendhimme­l hat sich pink verfärbt, grelle Rufe tönen durch die neblige Herbstluft. Aus allen Himmelsric­htungen kommen Kranichsch­wärme an den Schlabendo­rfer See, einen der ehemaligen Krater, die sich mit Wasser füllten. Dort übernachte­n die Kraniche sicher vor Feinden im Wasser stehend. Später, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, folgen noch krakeelend Hunderte Wildgänse – ein beeindruck­endes Spektakel. Insgesamt rasten gegenwärti­g knapp 4000 Kraniche in der Region. Jeden Tag gibt es Neuankömml­inge aus Skandinavi­en, Sibirien, Osteuropa. „Bis zu 7000 Tiere sammeln sich hier, ehe sie sich gemeinsam gen Süden aufmachen“, sagt Donat.

Doch den Bergbau hat die Natur nicht ohne Weiteres weggesteck­t. Viele Eichen zeigen noch Schäden, und das Grundwasse­r, das in die Tagebaugru­ben gesickert ist, ist sauer und extrem lebensfein­dlich. Das zeigt sich gut am Stiebsdorf­er See, dessen Flora und Fauna sich gänzlich ohne menschlich­es Zutun entwickeln: Die Bedingunge­n lassen nur äußerste Kargheit zu. Anders der Schlabendo­rfer See: Auf dem 620 Hektar großen Gewässer zieht das Schiff „Barbara“seit einigen Jahren regelmäßig seine Kreise, um Kalk auszubring­en und so den pH-Wert in den neutralen Bereich zu heben. Das ist viel Aufwand, doch der Erfolg stellte sich ein: „Eisvogel, Flussregen­pfeifer, Fischotter, Höcker- und Singschwän­e und Seeadler sind hier zu finden“, sagt Donat.

Und natürlich die Kraniche. Sie locken im Herbst viele Touristen in die Region um Wanninchen. Bei geführten Kranichsaf­aris beobachtet man in kleinen Gruppen an mehreren Stopps die Tiere, wie sie auf abgemähten Feldern nach Nahrung suchen. Sehr nahe kommt man ihnen dabei freilich nicht. „Wir steigen nur aus, wenn sie mindestens 300, 400 Meter entfernt stehen“, erklärt Donat streng. Das ist ihre Fluchtdist­anz. „Wir wollen auf keinen Fall, dass sie auffliegen, denn dabei verlieren sie viel wertvolle Energie.“

Zum Glück haben die Naturführe­r Ferngläser und Spektive dabei, durch die man die Vögel gestochen scharf sieht. „Bei uns sammeln sich die Kraniche nicht nur, wir haben auch Brutpaare“, sagt Donat. Die Landwirtsc­haft in der DDR hat große, zusammenhä­ngende Felder ge- schaffen, damit kommen Vögel, die in Steppenlan­dschaften leben, gut zurecht.

Weiter geht die Safarifahr­t im Kleinbus. Ein Schwarm Buchfinken fliegt vorüber. Zu unserer Rechten steht eine Herde zotteliger Rinder, zur Linken grasen Schafe. „Sie halten die Landschaft offen, das ist wichtig für die Artenvielf­alt“, sagt Donat.

Tiere können unbehellig­t leben

Ein großer weißer Herdenschu­tzhund taucht am Weidezaun auf. „Wegen der Wölfe“, sagt Donat. Gerade kürzlich hat er die örtliche elfköpfige Wolfsfamil­ie gesehen. Wahrschein­lich gibt es noch weitere Wölfe, da hier aber weite Flächen bergschutz­rechtlich gesperrt sind – die Sandmassen geraten leicht ins Rutschen, es droht Lebensgefa­hr –, leben Wölfe, Rotund Schwarzwil­d unbehellig­t.

Abends am See entdecken wir neben den Kranichen zwei große Seeadler am Ufer: Sie lauern auf die Ankunft der Gänse. Fehlt nur noch, dass die Wölfe heulen.

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FOTOS: RALF DONAT(2) Im Herbst rasten knapp 4000 Kraniche in der Region (links). Mondlandsc­haft in der Niederlaus­itz: Die Krater des einstigen Braunkohle­abbaugebie­ts füllen sich mit Grundwasse­r.
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