Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Politik streitet über Thüringen-Monitor
Landtagsfraktionen debattieren über Respekt für den Osten, Patriotismus und die Folgen für die Integration
Erfurt. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet. Er teile diese Sorge vieler Menschen, sagte Ramelow gestern in einer Regierungserklärung im Landtag in Erfurt. Hass werde zunehmend offen propagiert, Abgrenzung trete an die Stelle des Miteinanders.
Der Chef der rot-rot-grünen Landesregierung warb in der Debatte über die Ergebnisse der jährlichen Untersuchung der Universität Jena zu den Einstellungen der Thüringer für eine Kultur des Aufeinanderzugehens, des neugierigen Nachfragens.
Der aktuelle Thüringen-Monitor, den Soziologen seit 18 Jahren im Auftrag der Landesregierung vorlegen, zeigte erneut ein widersprüchliches Bild der Thüringer: Für 96 Prozent ist Heimat wichtig, 68 Prozent identifizieren sich mit Europa und 60 Prozent sind mit ihrem Leben völlig zufrieden.
Gleichzeitig ist die Politikverdrossenheit gestiegen und fast jeder zweite Thüringer teilt fremdenfeindliche und nationalistische Einstellungen. Außerdem gibt es unter den Thüringern einen konstanten Anteil von etwa 20 Prozent, der sich rechtsextremen Einstellungen gegenüber offen zeigt. Die Forscher vermuten einen Zusammenhang zwischen betonter Heimat und Fremdenangst.
Ramelow, aber auch Vertreter der Fraktionen Linke, SPD, Grüne und CDU forderten die Thüringer zu mehr Selbstbewusstsein auf und verlangten mehr Respekt im Westen für das von den Ostdeutschen Erreichte. Der Vorsitzende der SPDFraktion, Matthias Hey, sagte, „das Gefühl des ständigen Zukurzgekommenseins führt in vielen Fällen dazu, dass Zweifel am demokratisch organisierten Gemeinwesens aufkommen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, André Bleichschmitdt, sprach von einem bedrohten Selbstwertgefühl der Ostdeutschen – und sieht darin einen Grund für die Ablehnung von Zuwanderung. Die Jenaer Wissenschaftler werteten auch die hohe Heimatverbundenheit als Gefahr – wenn sie der Ausgrenzung Vorschub leiste. Die CDU-Landtagsfraktion hält Patriotismus dagegen für ein Instrument, um NichtDeutsche im Land ankommen zu lassen. Ein Bekenntnis zur deutschen Gesellschaft würde Flüchtlingen eine Orientierung geben, meinte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Jörg Geibert.
Der Fraktionsvorsitzende der AfD, Björn Höcke, zweifelte an den Ergebnissen des ThüringenMonitors. Es sei infam, wenn Wissenschaftler glaubten, dass sie Menschen mit wenigen Fragen hinter die Stirn sehen könnten, sagte er. (dpa)