Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Landtag ohne Präsident
CDU-Kandidat Heym fällt bei der Wahl wie erwartet durch. Rot-Rot-Grün fordert weiteren Vorschlag ein
Erfurt. Viel war gemutmaßt, spekuliert und geraunt worden. Doch am Ende, am Freitag gegen 13 Uhr, fällt das Ergebnis eindeutig aus. Nur 40 Abgeordnete stimmen in geheimer Wahl für den CDU-Kandidaten Michael Heym. Gegen ihn votieren 48 Abgeordnete.
Damit ist erstmals in der Geschichte Thüringens ein Kandidat für das protokollarisch höchste Amt im Land bei der Wahl durchgefallen. Und dies auch noch mit Ansage.
Der parlamentarische Eklat, den es so wohl noch nie in der Bundesrepublik gab, hatte sich über Wochen aufgebaut, seit September, dem angekündigten Rücktritt von Landtagspräsident Christian Carius (CDU). Klar war: Die Union besitzt, obwohl sie sich in der Opposition befindet, als immer noch größte Fraktion das Vorschlagsrecht.
Allerdings besteht die CDUFraktion nur aus 34 der 91 Abgeordneten. Die Union benötigte also ein Dutzend Stimmen aus anderen Fraktionen, um auf die erforderliche Mehrheit von 46 Stimmen zu kommen. Das heißt, im Zweifel hätten es auch ein paar weniger getan.
Denn im Unterschied zur Wahl des Ministerpräsidenten reicht bei der Abstimmung über den Landtagspräsidenten bereits im ersten Wahlgang die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen aus – und nicht die Mehrheit der real existierenden Abgeordneten. Wer nicht an der Wahl teilnimmt oder seinen Stimmzettel ungültig macht, wird auch nicht mitgezählt.
Die Mehrheitsfraktionen von Linke, SPD und Grünen, hatten indes frühzeitig angekündigt, Heym nicht wählen zu wollen. Er sei zu rechts, hieß es.
Mohring hielt trotzdem an dem Südthüringer fest. Zum einen hatte er sich gegenüber seiner Fraktion festgelegt, ein Rückzug hätte wie eine selbst verursachte Niederlage ausgesehen. Zum anderen kalkulierte er offenkundig darauf, dass die Koalitionsfraktionen in der Öffentlichkeit für das wahrscheinliche Scheitern der Wahl verantwortlich gemacht würden.
Freitagmittag werden die anwesenden 88 Landtagsmitglieder einzeln zur geheimen Wahl gerufen, nach wenigen Minuten steht das Resultat fest. Heym ist durchgefallen. Es wird an diesem Tag keinen zweiten Wahlgang geben. Der nächste Versuch soll bei der kommenden regulären Parlamentssitzung im Dezember stattfinden.
„Das war erwartbar“, lautet der erste Kommentar der LinkeChefin Susanne Hennig-Wellsow. Die CDU habe weiter das Vorschlagsrecht, sie müsse aber nun einen anderen Kandidaten aufstellen.
Der grüne Fraktionschef Dirk Adams sagt, dass Mohring Heym trotz der ablehnenden Signale in die Wahl geschickt habe, „lässt mich an der politischen und menschlichen Kompetenz des CDU-Fraktionsvorsitzenden zweifeln“.
AfD-Fraktionschef Björn Höcke sagt: „Das war kein Glanztag für den Parlamentarismus. Schade, dass er es nicht geworden ist.“Die AfD habe Heym gewählt.
SPD-Fraktionschef Matthias Hey erinnert vor den Fernsehkameras wieder daran, dass seine Fraktion die frühere Parlamentspräsidentin Birgit Diezel (CDU) vorgeschlagen habe. Sie säße, sagt er, als erste Nachrückerin der CDU längst im Landtag, wenn Carius neben dem Amt auch sein Mandat abgegeben hätte.
Pikant an dieser Aussage ist: Auch Mohring hatte intern zuerst auf Diezel gesetzt und Carius deutlich wissen lassen, dass er den Weg dafür frei machen sollte. Selbst Altministerpräsident Bernhard Vogel wurde als Bote benutzt. Aber der scheidende Landtagspräsident dachte gar nicht daran, darauf einzugehen.
Nach der gescheiterten Wahl steht der Fraktionsvorsitzende vor dem Plenarsaal und schimpft finster blickend auf Rot-Rot-Grün. Als CDU, sagt er, habe man fast alle Personalvorschläge der Koalition akzeptiert, für den Rechnungshof oder für das Amt des Stasi-Beauftragten.
Dass jetzt umgekehrt Linke, SPD und Grüne die parlamentarischen Regeln nicht einhielten, sei ein Skandal. Rot-Rot-Grün spiele sich als Jury auf, sagt Mohring. Man sei doch hier nicht bei „Deutschland sucht den Superstar“.
Den Einwand, dass die Union im Bundestag auch schon VizePräsidenten von Linke und AfD nicht gewählt hätte, weil sie mit den Kandidaten nicht einverstanden waren, wischt Mohring beiseite. „Wir sind hier in Thüringen“, sagt er.
Neben dem Fraktionsvorsitzenden steht sein Vize Michael Heym. Der Verlierer des Tages wirkt angefasst, sein Gesicht ist merklich gerötet. Er sei „enttäuscht“, sagt er, „politisch, aber auch menschlich“. Allerdings bezieht er natürlich diesen Befund auf Rot-Rot-Grün.
Ausgerechnet die Regierungsfraktionen, die immer Toleranz predigten, hätten jetzt ihre Intoleranz vorgeführt, sagt Heym. Ob er eine neuerliche Kandidatur wage, werde er mit der Fraktion bereden.
Und was sagt der Mann, der die missliche Kette der Ereignisse erst auslöste? „Ich bedauere das Ergebnis“, sagt Christian Carius, aber dann benutzt auch er das Wort „erwartbar“.
Ob er eigentlich Michael Heym rate, nochmals anzutreten? Nein, antwortete der gewesene Landtagspräsident. Aber das habe er seinem Fraktionskollegen bereits gesagt.