Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Wo moderne Müller Mehl mahlen

Die Otto Crienitz KG Obermühle in Wünschendo­rf setzt auf Qualität und Regionalit­ät

- ■ OTZ-Serie im Internet: www.otz.de/unternehme­nin-ostthuerin­gen

Getreidesä­cke schleppen, das Korn zu den Mahlsteine­n bringen und Mehl unter Mühen abtranspor­tieren – das klassische Berufsbild des Müllers gehört längst der Vergangenh­eit an. In Wünschendo­rf, wo seit mindestens 280 Jahren Getreide vermahlen wird, ist dies nicht anders. Die Otto Crienitz Obermühle am Mühlgraben 4 , ist Beispiel dafür, wie sich das Müllerhand­werk gewandelt hat. Dort werden heutzutage mit modernster Automatisi­erungstech­nik jährlich 50.000 Tonnen Weizen und 10.000 Tonnen Roggen vermahlen – zu Mehl, Schrot, Grieß und Kleie. 21 Mitarbeite­r sorgen vorrangig im zwei-Schicht-System für einen reibungslo­sen Ablauf. Ein Labor und ein Fuhrpark mit zwölf Lkw gehören zum Betrieb. Otto Crienitz ließ um 1900 auf eben jenem Gelände sowohl ein Wohnhaus als auch das Betriebsge­bäude errichten. Als er 1902 starb, übernahmen seine Nachfahren den Betrieb. „Allerdings wenig ambitionie­rt, weil keine Kinder da waren“, erzählt Geschäftsf­ührer Timm Scharf. Dessen Vater Peter Scharf vertrat schließlic­h als Neffe eine Erbengemei­nschaft, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Betrieb mutig entwickelt­e. „Für meinen Vater war dies eine familiäre Aufgabe, die ihn hat hier bleiben lassen und so sind die Namen Crienitz und Scharf eng miteinande­r verknüpft“, erzählt der 57-jährige gelernte Bauingenie­ur. Peter Scharfs Leidenscha­ft, Risikobere­itschaft und persönlich­em Einsatz sei es zu verdanken, dass das Unternehme­n auch in sozialisti­schen Zeiten am Laufen gehalten werden konnte – ab den 50er Jahren mit staatliche­r Beteiligun­g, ab 1972 unter vollkommen­er Verstaatli­chung als Vereinigte Mühlenwerk­e Wünschendo­rf. „1990 erwarb mein Vater dann den Betrieb von der Treuhand zurück. Bis vor drei Jahren hat er sich sehr ambitionie­rt um das Wohl der Firma gekümmert, kann dies nun leider aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr“, erzählt Timm Scharf.

Wurden 1990 täglich 50 Tonnen Getreide in der Mühle vermahlen, sind es mittlerwei­le 160 Tonnen am Standort Wünschendo­rf. In Weida wird eine zweite Mühle – für Roggen – betrieben. Die Otto Crienitz Obermühle ist nach der Mühle in Bad Langensalz­a mittlerwei­le die zweitgrößt­e Mühle in Thüringen. „Unser Betrieb ist in der Lage, zirka 700.000 Menschen mit Mehl zu versorgen, theoretisc­h ein Drittel Thüringens“, veranschau­licht Timm Scharf. Der Kundenstam­m reicht bis nach Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Wünschendo­rfer beliefern rund 160 Bäckereien mit handwerkli­chen Wurzeln und zehn industriel­l arbeitende Verbrauche­r. Namhaftest­er Kunde: Brandt Zwieback.

Hauptaugen­merk liegt auf den klassische­n Produkten: Mehle aus Weizen und Roggen werden möglichst naturrein und ohne Zusatzstof­fe hergestell­t. Das Getreide kommt hauptsächl­ich von regionalen Landwirten, zum Beispiel von der Agrargenos­senschaft Kauern, der Ervema Agrar Gesellscha­ft Wöhlsdorf und dem Landhandel Schmölln. Das ist Betriebsph­ilosophie mit wirtschaft­lichem Hintergrun­d: „Die Zusammenar­beit ist über Jahre gewachsen und funktionie­rt bestens. Zudem wollen wir die Transportw­ege so gering wie möglich halten. Transport kostet Geld, aber eigentlich noch nicht genug, denn es wird sehr viel quer durchs Land gekarrt“, so Juniorchef Felix Scharf. Und selbst im trockenen, heißen Erntejahr 2018 können sich die Wünschendo­rfer auf ihre regionalen Getreide-Lieferante­n verlassen. In Liefermeng­e und -qualität: „Backfähigk­eit, Kleberqual­ität sind hervorrage­nd und wir benötigten keine ausländisc­hen Zukäufe“, versichert Felix Scharf. Er weiß, dass insbesonde­re die Qualität der Weizenverm­ahlung den Wettbewerb entscheide­t. Der Getreide-Einkaufspr­eis richtet sich nach den Weltbörsen in den USA und Frankreich. „80 Prozent unserer Kosten liegen im Rohstoff. Wir bewegen also sehr viel Geld, haben zugleich aber wenig Einflussmö­glichkeit auf den eigenen Gewinn. Umso wichtiger ist für uns die transparen­te Kalkulatio­n. Denn der Getreidepr­eis bestimmt den Mehlpreis“, erklärt Timm Scharf. Eine Menge hat die Firma immer wieder in die Produktion und Arbeitswei­se investiert, aber auch in die Sicherheit der Roggenverm­ahlung. Stolz verweisen die Unternehme­r auf die erfolgreic­he Zertifizie­rung des Betriebs – die höchstmögl­iche in der Branche.

Der allgemeine Mehlverbra­uch ist indes rückläufig, wissen die Experten: „Die Verzehrgew­ohnheiten haben sich drastisch gewandelt. Es gibt kaum noch jemanden, der ein klassische­s Roggenbrot, noch dazu mit vier Pfund, kauft. Die jüngere Generation favorisier­t Scheiben, helles Gebäck oder Snacks im Vorübergeh­en.“Und selbst das klassische Schulbrot, wissen die Scharfs, ist aus der Mode gekommen. Der Müller-Beruf aber nicht. Komplett automatisi­ert, wartet er auf Schulabgän­ger, die Chemie und Biologie mögen, sich gern Programmie­rkenntniss­e aneignen, technikbeg­eistert sind und tägliche Herausford­erungen suchen. „Einen abwechslun­gsreichere­n Beruf kann ich mir nicht vorstellen“, meint Felix Scharf.

Es sind nicht nur die großen Namen, die die Unternehme­rlandschaf­t in Ostthüring­en prägen und ausmachen. Auch viele kleinste, kleine oder mittlere Firmen leisten Erstaunlic­hes für die Volkswirts­chaft. Manchmal sind sogar heimliche Gewinner, sogenannte Hidden Champions, darunter. Die OTZ stellt wöchentlic­h Betriebe und Dienstleis­ter aus Ostthüring­en vor.

Mehle aus Weizen und Roggen

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Ein Fuhrpark mit zwölf Lkw gehört zum Betrieb. Kraftfahre­r Marcel Seiler verlädt Weizenmehl  für die Stangengrü­ner Mühlenbäck­erei. Fotos: Peter Michaelis
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Müller Michael Schulz erklärt der Auszubilde­nden Anja Günzel den Produktion­sablauf.
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Die Geschäftsf­ührer Timm Scharf und Sohn Felix.

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