Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Geschichten aus der Geschichte erzählen
Nachwächtergilde trifft sich in Greiz. Beim abendlichen Stadtrundgang zeigt sie, wie man Historie vom Staub befreit
Greiz. „Seid ihr auch alle sittsam und vor allem unbewaffnet?“, fragt die dunkel gekleidete Gestalt mit fester und tiefer Stimme. Beinahe unterwürfig versichern einzelne Personen aus der Menschenmenge, dass dies gewiss so sei. Dann folgen sie dem Mann in Schwarz mit der Laterne in der Hand und seiner Gefolgschaft aus Nachtwächtern, Mägden und anderen historischen Figuren von nah und fern.
Es sind Momente wie diese, in denen man sich am Samstag wie nach dem Ritt in einer Zeitmaschine fühlt. Aufgebrochen in jene Zeit im Mittelalter als tatsächlich noch Nachtwächter durch die Gassen zogen und in den dunklen Stunden für Sicherheit und Ordnung sorgten. Dabei ist alles nur Show. Eine großartige Darbietung, die Stadtgeschichte lebendig macht.
Wenn dann noch die Crème de la Crème solcher historischer Figuren nach Greiz kommt, dann können sich die „Zeitreisenden“auf einen Abend voller interessanter, witziger und origineller Geschichten einstellen.
„Jahreszahlen sind doch stinklangweilig. Spannend ist es, Geschichten aus der Geschichte zu erzählen. Und wer in die Rolle einer Figur schlüpft, genießt beim Erzählen eine gewisse Narrenfreiheit“, sagt Holger Wittig von den Greizer Nachtwächtern.
Er hat Nachtwächter und andere Figurendarsteller aus Brandenburg, Sachsen und SachsenAnhalt für das Treffen der Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren nach Greiz eingeladen. Seit nunmehr neun Jahren gibt es dort eine Sektion Ost. Nicht nur Nachtwächter gehören dieser an. Auch eine Stadtwache, ein Oberpostbeamter oder eine weiße Frau aus Leipzig sind beispielsweise ein Teil der Truppe.
„Die Figuren sollten schon einen Bezug zur Stadtgeschichte haben“, sagt Wittig, der selbst gar kein Mitglied der Gilde ist. Aber natürlich trotzdem weiß, wovon er spricht. Seit vielen Jahren erklärt er Touristen als Stadtführer und Nachtwächter die Geschichte von Greiz. Und dies gelingt ihm auch Samstag hervorragend.
Gemeinsam mit den Kollegen und Zuhörern zieht die historische Kolonne vom unteren Schloss, über den Kirchplatz bis zum Markt. Immer wieder machen sie Halt. Wittig erzählt in seiner Rolle als Nachtwächter amüsante und erstaunliche Anekdoten der vergangenen Jahrhunderte. Geschichten über gescheitere Banküberfälle, komisch-tragische Brandstiftungen und einen tief gefallenen Mops.
Doch wie es sich für einen guten Gastgeber gehört, lässt Wittig auch seine Gäste zu Wort kommen. Jeder bekommt die Möglichkeit, sich und die Stadt, aus der er stammt, vorzustellen.
Und so lernen die Greizer unter anderem „Die Gefährten der Nacht“aus Storkow in Brandenburg kennen. Eine Truppe, die gleich in mehrere Rollen schlüpft. Eine Frau ganz in weiß gekleidet, die in Leipzig Sagen und Schauergeschichten unter die Leute bringt, stellt sich vor, und ein Räuberhauptmann aus Spremberg in Brandenburg erzählt von seinen Missetaten im 18. Jahrhundert.
Zwischendurch wird der lebendige Geschichtsunterricht immer wieder mit derben Witzen und Publikumsinteraktion aufgelockert. Der in der Gilde übliche Freudensruf „Jubel, Jubel, Jubel“geht den Leuten irgendwann wie von selbst von den Lippen.
Und auch die vielen Geschichten aus der Geschichte werden wohl noch so manchem im Gedächtnis bleiben. 17 Uhr.
Tschirma Kirche,
Abendgebet zur Friedensdekade, 19 Uhr.
Wolfersdorf
Kirche Sankt Peter und Paul,
Friedensgebet, 12 Uhr.
Zeulenroda Pfarrhaus,
Posaunenchor, 18.30 Uhr; Ten Sing, 16.30 Uhr.
Seniorenpark Am Birkenwäldchen,
Gottesdienst, 10 Uhr.