Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Minister will starke Gewerkschaften
Wolfgang Tiefensee besucht Barat Ceramics in Auma. Mitarbeiter hoffen nach Eigentümerwechsel auf steigende Löhne.
Auma-Weidatal. Passender hätte der Besuch von Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) im Unternehmen Barat Ceramics wohl nicht ausfallen können. Denn pünktlich zum neuen Jahr gab es bei den Keramikexperten aus Auma einen Gesellschafterwechsel. Die Ilmenauer Werkstoffspezialisten von Qsil übernahmen zum 1. Januar das Traditionsunternehmen.
Ein günstiger Zeitpunkt also, mit den Mitarbeitern, den neuen Eigentümern und weiteren Akteuren ins Gespräch zu kommen. So informierte sich der Minister über die Fertigung und die Produktpalette des Unternehmens. Barat Ceramics vertreibt weltweit keramische Komponenten. Insbesondere im Bereich der Medizintechnik, im Anlagen- und Maschinenbau, in der Mess- und Regeltechnik sowie in der Ballistik.
Minister Tiefensee lobte die „Thüringer Lösung“– wie QsilMiteigentümer Stephan Behr sie nennt – und sieht eine „spannende Entwicklung“. Auf diese hofft auch Barat-Ceramics-Geschäftsführer Robin Hees. Bisher sei das Unternehmen in der Hand von Investoren gewesen. Durch den Gesellschafterwechsel sei nun ein Eigentümer an der Spitze, der ebenfalls aus der Industrie kommt und an einer langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung interessiert sei. „Wir sind stolz darauf, ein unabhängiges Unternehmen zu sein“, sagt er. Thüringen holt auf, bleibt aber im Lohnkeller Für Minister Tiefensee sind beide Unternehmen Ausdruck der starken wirtschaftlichen Entwicklung des Freistaats. „Wir müssen uns nicht verstecken. Bei den Industriearbeitsplätzen, der Arbeitslosenquote und den angemeldeten Patenten lassen wir inzwischen viele westdeutsche Bundesländer hinter uns“, sagt er. Die Statistik bestätigt dies teilweise. Bei der Anzahl der Beschäftigten im Industriesektor liegt Thüringen an siebter Stelle aller Bundesländer. Genau wie bei der Arbeitslosenquote. Die Patentanmeldungen allerdings konzentrieren sich zur Hälfe auf die Stadt Jena. Im Mittelstand sind sie noch rar.
Dem Lobgesang des Ministers auf die Thüringer Wirtschaft begegnete eine Mitarbeiterin mit dem Argument, der weiter bestehenden Lohnungerechtigkeit zwischen Ost und West. Zwar verwies Tiefensee auf das stetig steigende Entgelt, erkannte aber, dass Thüringen weiterhin an drittletzter Stelle bei den Löhnen steht. „Das muss sich ändern. Sonst laufen uns die Leute weg“, sagte er. Dies sei allerdings keine Aufgabe der Politik, sondern der Tarifpartner. Ein Wink an den Betriebsrat und den neuen Miteigentümer Stephan Behr. Der nutzte die Vorlage und es entwickelte sich ein kleines Geplänkel zwischen dem Minister und dem Unternehmer. Tiefensee warb für Tarifverträge und legte den Beschäftigen die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft nahe. „Weil wir sehr spezielle Produkte haben, bin ich ein Freund von Haustarifverträgen. Deshalb ermutige ich den Betriebsrat, direkt mit uns zu verhandeln“, sagte Behr. Tiefensee sehe Haustarife ebenfalls positiv, doch starke Gewerkschaften seien nötig, um Tarifverträge zu verhandeln, die dann als Grundlage für interne Verhandlungen dienen.
Uneinigkeit zwischen Tiefensee und Behr herrschte ebenfalls bei der Frage, wie künftig die Förderung des Unternehmens durch die Thüringer Landesregierung aussehen könnte. Denn ab 2019 wird Qsil aufgrund der Mitarbeiterzahl als „Großes Unternehmen“eingestuft. Damit fallen viele Fördermöglichkeiten weg, die kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) erhalten. Minister Tiefensee machte in dieser Sache wenig Hoffnung, da die Voraussetzungen für den KMU-Status von der Europäischen Union vorgegeben werden. „Das Förderprogramm dient der Herstellung von Wettbewerbsgerechtigkeit und da hat die EU klare Vorstellungen“, sagte Tiefensee. Durch den Brexit sei nach dieser europäischen Finanzperiode sogar langfristig mit noch weniger Geld aus Brüssel zu rechnen.
Behr wandte sich auch an die Mitarbeiter und versprach als Ziel „langfristige Stabilität im Unternehmen“. Der aktuelle Geschäftsführer Hees sieht den Kauf durch Qsil sehr positiv. „Durch den neuen Eigentümer haben wir mehr finanziellen Spielraum. Wir sind mit unserer Produktion schon an die Grenzen geraten, weil die Nachfrage nach unseren Produkten stetig wächst“, sagt er. Die Zukunftsaussichten für das Unternehmen seien daher sehr positiv.