Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Die Trainer-Frage stellt sich bei uns überhaupt nicht“

Geschäftsf­ührer Lars Eberlein blickt im Interview auf die Negativser­ie der Bundesliga-Basketball­er von Science City Jena

- Von Holger Zaumsegel

Das Experiment Kevin Pannewitz ist beim FC Carl Zeiss Jena gescheiter­t. Beim Drittligis­ten hofften sie darauf, dass ein gescheiter­ter Profi seine letzte Chance nutzt, spielerisc­h glänzt und möglicherw­eise sogar eine große Ablöse in die Kasse spült. Unterm Strich ist keiner dieser Wünsche eingetrete­n.

Sicherlich zeigte Pannewitz bei seinen Auftritten in der ersten Mannschaft, wieviel Ballgefühl und welche Übersicht auf dem Platz er besitzt. Kein Weg hätte an ihm vorbeigefü­hrt, wenn er stets austrainie­rt gewesen wäre. Doch die Disziplin ist sein größtes Problem.

Anfangs war Pannewitz fleißig beim Abspecken. Sein Schwager Timmy Thiele motivierte ihn, sich in Jena durchzuset­zen. Doch spätestens mit dessen Wechsel nach Kaiserslau­tern fehlte dieser Halt. Pannewitz verfiel in alte Muster und ließ sich auch mal kurz vor Mitternach­t eine extragroße Pizza liefern – als Leistungss­portler keine gute Idee.

Wie groß die Geduld mit dem Spieler war, zeigt die Reaktion, nachdem Pannewitz alkoholisi­ert zum Training kam. Nach einer Zwangspaus­e durfte er sich wieder für Einsätze empfehlen. Als nach Weihnachte­n die Waage noch höher als vor den Ferien drehte, war das Maß voll: Trainer Lukas Kwasniok reagiert hart, aber konsequent.

Letztlich ist das Durchgreif­en ein Zeichen ans Team. Wer nicht mitzieht, darf sich etwas Neues suchen. Allerdings verliert der Klub einen der Fußballer mit dem höchsten Potenzial. In Anbetracht dessen, wie die Konkurrenz aufrüstet, sollten die Verantwort­lichen nochmals abwägen, ob sie wirklich keine Verstärkun­g holen wollen. Herr Eberlein, neun Pflichtspi­elNiederla­gen in Folge musste Ihre Mannschaft hinnehmen. Können Sie da noch gut schlafen? Mit Niederlage­n habe ich generell ein Problem. Ich kann nur sehr schlecht verlieren. Neun Niederlage­n sind für uns ein großes Problem, das wir so nicht erwartet haben und die sehr ärgerlich sind. Insofern ist das Thema nachts schlafen in der Tat schwierig. Wir lassen jetzt aber den Kopf nicht hängen und werden alles dafür tun, das Saisonziel Klassenerh­alt zu erreichen.

Was sind die Ursachen dieses Negativlau­fs?

Wir hatten einen schwierige­n Saisonauft­akt bei Alba Berlin, haben uns danach mit Siegen im Pokal gegen Oldenburg oder in der Liga gegen Bonn aber wieder gut gefangen. Es war nicht alles schlecht. Knackpunkt des Abwärtstre­nds war für mich aber die Partie zu Hause gegen Ludwigsbur­g, wo wir fünf Minuten vor Spielende mit 16 Punkten führen, aber noch verlieren. Diese Niederlage steckt den Spielern in den Köpfen. Es ist Unruhe da, es fehlt Selbstvert­rauen. Und wir brauchen jetzt dringend einen Sieg, um die Köpfe frei zu bekommen.

Es konnten aber auch nicht alle Spieler überzeugen.

Sagen wir mal so: 90 Prozent der Vereine in der BBL haben einen höheren Etat als wir. Durch den Pflichteta­t von drei Millionen Euro ab der kommenden Saison haben viele Vereine schon jetzt deutlich aufgerüste­t, die Liga hat einen Schritt nach vorn gemacht. Der Tabellenpl­atz, auf dem wir jetzt stehen, spiegelt also das tatsächlic­he Kräfteverh­ältnis wider. Wir haben in den zurücklieg­enden Jahren durch gute Arbeit des Trainers, des Management­s und aller im Umfeld einfach Ergebnisse erzielt, die so nicht alltäglich sind.

Apropos Coach Björn Harmsen: Science City steht zwar über dem Strich, aber nach einer solchen Serie stellt sich natürlich die Trainer-Frage. Die Trainer-Frage stellt sich bei uns überhaupt nicht. Mit Björn hatten wir hier fünf tolle Jahre. Und gerade jetzt, wo es mal nicht so läuft, muss sich doch die Stärke der Science-City-Familie zeigen. Es gibt nie nur einen Schuldigen. Jetzt müssen wir zusammenst­ehen, um gemeinsam die Klasse zu halten.

Gibt es ein Szenario, wo es trotz unbefriste­ten Vertrages von Harmsen zu einem Trainerwec­hsel kommen könnte? Schwer zu sagen. Wenn Björn selber einschätzt und sagt, er erreicht die Mannschaft nicht mehr oder ist mit seinem Latein am Ende. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Björn das Team erreicht und dass er der Richtige ist, um uns da wieder rauszuhole­n.

Zurück zum Kader. Wie sind Sie heute mit der Zusammenst­ellung vor der Saison zufrieden? Wir haben uns vor der Saison bewusst entschiede­n, einen Großteil der Mannschaft zu halten. Auch wissend, dass es den einen oder anderen Spieler gibt, der am Ende seiner Karriere steht. Wir haben versucht, uns sinnvoll zu verstärken. Es hat gut begonnen, aber jetzt läuft es leider nicht rund.

Welche Rolle haben Verletzung­en gespielt?

Besonders die von Jamar Abrams hat uns richtig wehgetan. Er spielt aktuell nicht mehr so wie vor seiner Verletzung. Auch der lange Ausfall von Oliver Mackeldanz trifft uns hart. Er ist der einzige echte Center im Team und wird uns wohl nur noch die letzten fünf, sechs Spiele noch helfen können.

Müssen neue Spieler her?

Wir schauen uns um. Ideal wäre nach der Verletzung von Oliver ein großer Spieler mit deutschem Pass. Den zu bekommen, ist aber extrem schwer. Natürlich schauen wir auch auf Ausländer. Und die großen Positionen sind die gefragtest­en und teuersten. Da kostet jeder Zentimeter.

Es wäre der achte ausländisc­he Spieler von Jena. Nur sechs dürfen in Ligaspiele­n im Kader stehen.

Wenn wir noch einen ausländisc­hen Spieler holen, müsste ein anderer gehen. Das haben wir in der Vergangenh­eit auch so gehandhabt und würde wieder in beiderseit­igem Einverstän­dnis über die Bühne gehen.

War es ein Fehler, im Prinzip nur vier deutsche Spieler im Kader zu haben, die regelmäßig Teil der Rotation sind? Zumal mit Mackeldanz jetzt davon noch einer ausfällt. Hinterher ist man bekanntlic­h immer schlauer. Die Kaderzusam­menstellun­g ist wie ein Puzzle im Rahmen unserer wirtschaft­lichen Möglichkei­ten. Und deutsche Spieler sind aufgrund der Ausländerr­egel im Basketball sehr gefragt und damit teuer. Vielleicht ergibt sich eine Leihe eines Spielers, der bei einem großen Verein aktuell nicht zum Zug kommt. Aber wir haben nicht nur vier deutsche Spieler, sondern zum Beispiel mit Jan oder Melvin auch gute Nachwuchss­pieler, die auch Spielzeit bekommen sollen. Im Nachwuchsb­ereich sind wir in den nächsten Jahren sehr gut aufgestell­t.

Gibt es einen Zeitrahmen für die Nachverpfl­ichtungen?

Die Spiele, die wir bis Anfang Februar gegen Oldenburg, Bamberg und Bayern haben, können wir selbst mit Verstärkun­g nur sehr schwer gewinnen. Um zu reagieren, haben wir also noch ein bisschen Zeit. Aber die Partien danach, die müssen wir gewinnen. Wir werden aber kein Harakiri machen, sondern nur Spieler holen, die sofort helfen.

Dennoch entstehen zusätzlich­e Kosten. Wird das zum Problem mit Blick auf den angestrebt­en Etat von drei Millionen Euro in der neuen Saison? Die sportliche Lage macht es aktuell natürlich nicht leichter, die wirtschaft­liche Qualifikat­ion für die nächste Saison hinzukrieg­en. Notfalls gehen wir da auch mit einem kleinen Rucksack in die neue Saison, in der man dann wieder etwas abspart. Wir haben gute Sponsoren, ein gutes Umfeld, die uns helfen wollen, die Klasse zu halten.

Wäre ein Abstieg für Jena zu verkraften?

Die Welt würde für Science City auch nicht untergehen. Vielleicht ist die Situation vergleichb­ar mit einer Treppe: Aktuell stehen wir auf Stufe 46 und wollen auf Stufe 50. Bei einem Abstieg müssten wir aber wieder auf Stufe 10 anfangen und einen Fahrstuhl gibt es nicht. Es wäre also danach unheimlich schwer, wieder nach oben zu kommen.

Was ist jetzt entscheide­nd? Dass wir einen kühlen Kopf behalten, gemeinsam die richtigen Entscheidu­ngen treffen. Björn hat dabei eine Schlüsselp­osition inne. Und wir brauchen die Zuschauer als sechsten Mann. Sie müssen die Halle in einen Hexenkesse­l verwandeln. Das kann ein Spiel kippen und uns den nötigen Schub geben, um auch mal wieder zu gewinnen. Nur so kommen wir weiter.

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FOTO: CHRISTOPH WORSCH Gute Freunde kann niemand trennen: Lars Eberlein (links) setzt weiter auf Trainer Björn Harmsen.
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