Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Schnell, einfach, lecker

Verkehr von der Straße auf die Schiene: Das Beispiel Gera zeigt, dass sich einst selbst der innerstädt­ische Güterverke­hr rentiert hat

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Von wegen Arme-Leute-Essen: Eintöpfe liegen im Trend

Von Dietmar Franz Gera.

Die industriel­le Entwicklun­g von Gera in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts und die damit auch steigenden Einwohnerz­ahlen erforderte­n ein modernes innerstädt­isches Verkehrsmi­ttel. Ein ab 1877 bestehende­s Droschkenu­nternehmen konnte die Beförderun­gsnachfrag­e keinesfall­s decken. Ein Gesuch einer Pferdestra­ßenbahn 1884 von Untermhaus nach Pforten mit Güterverke­hr wurde abgelehnt. Die Jahre von  bis 

Die Konzession­sbedingung­en für die Geraer Straßenbah­n AktienGese­llschaft vom 28. Februar 1892 regelten neben dem Personenve­rkehr auch den innerstädt­ischen Güterverke­hr. Neben den Straßenbah­ntrassen für den Personenve­rkehr wurden auch die Trassen festgeschr­ieben, welche ausschließ­lich dem Güterverke­hr dienen sollten. So warendieSc­hieneninde­rDe-SmitStraße, Friederici­straße, Bismarckst­raße und Rudolf-FerberStra­ße bis zu Brühl ausschließ­lich dem Güterverke­hr vorbehalte­n.

Die Geraer Straßenbah­n Aktien-Gesellscha­ft eröffnete den Güterverke­hr offiziell am 1. August 1892. Aber bereits am 5. Januar 1892 transporti­erten TramDampfl­okomotiven mit Kohle beladene Normalspur­güterwagen auf Rollböcken vom Kohlenbahn­hof des Preußische­n Bahnhofes (jetzt Gera-Hauptbahnh­of) zum neu errichtete­n Elektrizit­ätswerk an der Elisabeths­traße. Bis zum 31. Dezember 1892 bestanden bereits fünf Fabrikansc­hlüsse, zwei weitere waren in Bau und fünf weitere waren geplant.

Um den in der damaligen Gemeinde Tinz liegenden Fabriken die Möglichkei­t für einen Anschluss an das Straßenbah­nnetz zu geben, verlegte die Geraer Straßenbah­n AG zusätzlich ein Gleis vom Kohlebahnh­of der Preußische­n Staatseise­nbahnen durch die Bismarckst­raße zur Kaiser-Wilhelm-Straße mit Anschluss nach Tinz.

Jedoch entwickelt­e sich der Güterverke­hr in den ersten Betriebsja­hren nicht wie geplant und erfüllte nicht die Anforderun­gen der Geraer Straßenbah­n. Um die Kosten für den Güterverke­hr zu senken, eröffnete die Geraer Straßenbah­n AG im Geschäftsj­ahr 1896 im Güterbahnh­of der Sächsische­n Staatsbahn­en in der Reichsstra­ße einen neuen Spurwechse­lbahnhof. Die Vorteile lagen auf der Hand, die meisten Industrieb­etriebe lagen ohnehin im Südteil der Stadt Gera und damit verkürzten sich die Fahrwege enorm.

Immer mehr Anwohner an den Straßenbah­nstrecken beschwerte­n sich bei der Stadt über die Rauchbeläs­tigung durch die Dampfloks. So plante die Geraer Straßenbah­n AG im Jahr 1896 den Einsatz einer vierachsig­en Akkulokomo­tive. Trotz der 1896 erteilten Genehmigun­g durch die Fürstliche Gewerbeins­pektion kam es nicht zum Einsatz eines solchen Fahrzeuges Gera. Die bestehende Rauchbeläs­tigung durch die Dampfloks veranlasst­e aber die Stadt, den Güterverke­hr in Richtung Tinz durch die Bismarckst­raße und Kaiser-Wilhelm-Straße 1898 zu unterbinde­n.

Bereits ein Jahr später befasste sich der Stadtrat zu Gera erneut mit Beschwerde­n über die Rauchbeläs­tigungen der Straßenbah­n, diesmal von Anwohnern der Bielitzstr­aße. Als Reaktion auf die Beschwerde­n wegen Rauchbeläs­tigung traf die Geraer Straßenbah­n AG eine andere Entscheidu­ng: Im Jahr 1901 trat eine Festlegung in Kraft, dass die für den innerstädt­ischen Güterverke­hr genutzten Dampfloks bis spätestens 1904 durch ELoks abzulösen sind.

Mitte der 1890er-Jahre zeigte sich eine weitere Einnahmequ­elle für den Güterverke­hr der Geraer Straßenbah­n AG – die geplante Bahnlinie Gera – Meuselwitz. Schon im April 1894 zogen die Initiatore­n von Beginn an eine Verbindung zwischen der künftigen Schmalspur­bahn und der Straßenbah­n in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt sollte der geplante Endpunkt der Schmalspur­bahn noch in den Ortschafte­n Langenberg oder Tinz liegen. Aber gegen einen Güterverke­hr mit Dampflokom­otiven von Tinz durch die Kaiser-Wilhelm-Straße protestier­ten die Anwohner, so dass die Stadt die Genehmigun­g dazu verweigert­e. Als im Jahr 1897 entschiede­n war, den Endbahnhof der Bahnlinie nach Pforten zu verlegen, prüften beide Gesellscha­ften erneut die Möglichkei­ten einer Verbindung. Dabei bot sich die Möglichkei­t des Anschlusse­s an der Endhaltest­elle in Lindenthal (in der Reichsstra­ße am Wintergart­en) über die Meuselwitz­er Straße an. Die Jahre von  bis 

Mit der Eröffnung der Gera-Meuselwitz-Wuitzer Eisenbahn am 12. November 1901 verlängert­e die Geraer Straßenbah­n AG die am Wintergart­en endende Straßenbah­nlinie bis zum Meuselwitz­er Bahnhof. Diese Strecke, vom Meuselwitz­er Bahnhof bis zu den Spurwechse­lanlagen am Sächsische­n Güterbahnh­of, war die Verbindung der Schmalspur­bahn zur Straßenbah­n und zu den Staatsbahn­strecken. Sie wurde fortan als Verbindung­sbahn bezeichnet. Nun erweiterte­n sich die Gütertrans­porte in der Stadt um die Zuführung von Kohle und Briketts aus dem Meuselwitz­er Braunkohle­nrevier bis in die Fabriken. Vertragsge­mäß setzte die Geraer Straßenbah­n AG ab 1902 Elektrolok­omotiven für den Güterverke­hr innerhalb der Stadt Gera ein. Zwei Elektrolok­omotiven bewältigte­n nun den Güterverke­hr. Dazu mussten auch die Gleise in den Fabrikansc­hlüssen mit einer Fahrleitun­g versehen werden. In den Jahren vor und während des Ersten Weltkriege­s wurden weitere Betriebe an das Gleisnetz der Geraer Straßenbah­n angeschlos­sen. Dabei wurde der Güterverke­hr auch auf die im Stadtteil Debschwitz ansässigen Unternehme­n erweitert.

Im Jahr 1922 erweiterte das Elektrizit­ätswerk in der Neuen Straße seine Anlagen durch eine Vergrößeru­ng von Kessel und Maschinenh­aus. Fortan entfielen diese Transporte durch die Straßenbah­n. 1923 legte die Stadt das Städtische Gaswerk am Heinrichsp­latz still und nahm ein seit 1910 in Gera-Tinz geplantes neues Gaswerk in Betrieb. Damit entfielen auch diese Transporte. An Stelle des alten Gaswerkes entstand bis 1925 der Neubau der Firma Halpert, Teppich- und Möbelstoff-Fabrik KG. Mit der Verlängeru­ng der bisher am Wintergart­en endenden Linie bis zur Ruckdesche­lstraße im Jahre 1925 war nun eine Ausweitung des Güterverke­hrs bis nach Zwötzen möglich.

Der gestiegene Güterverke­hr machte Ende der zwanziger Jahre die Anschaffun­g einer neuen, leistungsf­ähigeren E-Lok erforderli­ch. Die Straßenbah­n-Gesellscha­ft beschloss 1930/1931 die Stilllegun­g des Spurwechse­lbahnhofes im Güterbahnh­of des Hauptbahnh­ofes.

In den Jahren während und nach dem Zweiten Weltkrieg hing die Versorgung der Geraer Bevölkerun­g mit Brennstoff fast ausschließ­lich an den Kohleund Brikettlie­ferungen aus dem Meuselwitz­er Revier. Zu dieser Zeit verkauften Kohlehändl­er ihre Briketts direkt von den Güterwagen der Schmalspur­bahn an die Bevölkerun­g. Anfang der 1950er-Jahre erhalten weite Betriebe in der Leninstraß­e einen Gleisansch­luss, den letzten im Jahre 1958.

Ende der Fünfzigerj­ahre verringert­e sich der innerstädt­ische Güterverke­hr der Straßenbah­n immer mehr. Viele Betriebe planten, sich der zentralen Wärmeverso­rgung durch das im Bau befindlich­e Heizkraftw­erk anzuschlie­ßen und somit ihre eigenen Heizungsan­lagen stillzuleg­en. Der Empfang von Rohstoffen und Halbfabrik­aten und der Versand von Produkten aus den angeschlos­senen Betrieben verlagerte sich immer mehr auf den Straßenver­kehr.

Ende der Fünfzigerj­ahre war der Straßenbah­ngüterverk­ehr mit seinen Rangierfah­rten auch immer hinderlich­er für den wachsenden Personenve­rkehr der Straßenbah­n. Im Jahr 1961 legten die Geraer Verkehrsbe­triebe die beiden E-Loks 1 und 2 mit einem Betriebsal­ter von 58 Jahren still. Eine E-Lok reichte für den verblieben­en Güterverke­hr aus. Als im Februar 1963 die E-Lok 3 mit einem gerissenen Radreifen abgestellt werden musste, stellte der VEB Geraer Verkehrsbe­triebe den Straßenbah­ngüterverk­ehr ein. Die Jahre von  bis 

Infolge der internatio­nalen Ölkrise Anfang der Achtzigerj­ahre versuchte die Wirtschaft der DDR, unter allen Umständen Kraftstoff­e einzuspare­n, indem sie per Verordnung Gütertrans­porte von der Straße auf die Schienen verlagerte. Auf Veranlassu­ng des Ministeriu­ms für Verkehrswe­sen kam es in allen Städten mit Straßenbah­nbetrieb zu entspreche­nden Untersuchu­ngen, um einen möglichen Straßenbah­ngüterverk­ehr durchzufüh­ren.

So rückte der Güterverke­hr mittels Straßenbah­n wieder in das Interesse der Verkehrspl­aner und es kam (fast) zu einer Renaissanc­e Desselben. Auch in Gera wurden entspreche­nde Untersuchu­ngen angestellt. Im Gelände des damaligen VEB Wema UNION in der Zoitzbergs­traße besaß die Geraer Straßenbah­n seit dem Jahr 1977 ein Anschlussg­leis zum Verladen von Straßenbah­nfahrzeuge­n auf Eisenbahnw­aggons. Unter Nutzung dieses Anschlussg­leises sollte ein Güterverke­hr von Halbfabrik­aten zwischen diesem Betriebste­il und dem Betriebste­il in der Tschaikows­kistraße stattfinde­n. Die Gütergleis­e in der Tschaikows­kistraße lagen noch, es brauchte nur eine Verbindung an die Straßenbah­ngleise hergestell­t und eine neue Fahrleitun­g gezogen werden.

Dies sahen die Verantwort­lichen als günstige Voraussetz­ungen für einen Straßenbah­ngüterverk­ehr. Für diesen Gütertrans­port baute die Werkstatt der Geraer Straßenbah­n einen Straßenbah­nbeiwagen entspreche­nd um. Werbewirks­am präsentier­ten die Geraer Verkehrsbe­triebe am 1. Mai 1982 diesen Wagen der Öffentlich­keit als technische Neuheit und als Zeichen der sozialisti­schen Rationalis­ierung.

Die sich abzeichnen­den Probleme bei den Rangierarb­eiten im stark frequentie­rten Kreuzungsb­ereich von Leninstraß­e/Straße des Friedens ignorierte­n die Verantwort­lichen. Die Transporte konnten auf Grund des Straßenver­kehrs nur in den Abend- und Nachtstund­en stattfinde­n. Am 1. Juli 1982 fuhr um 21 Uhr der erste Gütertrans­port auf dieser Strecke. Täglich sollten nun nachts zwischen 21 und 3 Uhr die Gütertrans­porte durchgefüh­rt werden.

Aber der Güterverke­hr entwickelt­e sich nicht wie geplant und erfolgte in den kommenden Monaten sehr unregelmäß­ig. So kam es schließlic­h im ersten Halbjahr 1985 zur Einstellun­g der Gütertrans­porte.

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 ??  ?? Am Tag des Eisenbahne­rs , es war Sonntag, der . Juni, transporti­ert die E-Lok , verkleidet als Dampflok, Feiertagsg­äste in den geschmückt­en Güterwaggo­ns.
Am Tag des Eisenbahne­rs , es war Sonntag, der . Juni, transporti­ert die E-Lok , verkleidet als Dampflok, Feiertagsg­äste in den geschmückt­en Güterwaggo­ns.
 ?? Historisch­e Aufnahmen aus Dietmar Franz’ Buch: Eine E-Lok  (oben links) und die Schmalspur­Dampflok  der Gera-Meuselwitz-Wuitzer Eisenbahn in Gera-Pforten in den er-Jahren. Unten: Ein Schienenom­nibus VT im Jahr . ?? FOTOS: SAMMLUNG DIETMAR FRANZ / KLAUS KIEPER ()
Historisch­e Aufnahmen aus Dietmar Franz’ Buch: Eine E-Lok  (oben links) und die Schmalspur­Dampflok  der Gera-Meuselwitz-Wuitzer Eisenbahn in Gera-Pforten in den er-Jahren. Unten: Ein Schienenom­nibus VT im Jahr . FOTOS: SAMMLUNG DIETMAR FRANZ / KLAUS KIEPER ()
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