Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Wir verlangen Mitbestimm­ung“

Die Chefin des Landesseni­orenrates, Hannelore Hauschild, über Fortschrit­te und Mängel der Thüringer Gesetzgebu­ng

- Von Martin Debes

Erfurt/Gera. Hannelore Hauschild wirkt für ihre 72 Jahre noch überaus aktiv. Sie ist für die SPD Mitglied des Geraer Stadtrats, leitet den Seniorenbe­irat und ist zudem die örtliche Seniorenbe­auftragte. Darüber hinaus ist sie Chefin des Landesseni­orenrats, der gerade am Entwurf eines neuen Seniorenmi­twirkungsg­esetzes mitarbeite­t. Wir sprachen mit ihr darüber.

Frau Hauschild, das Gesetz sieht vor, Seniorenbe­iräte und -beauftragt­e in Kreisen und kreisfreie­n Städten zur Pflicht zu machen. Reicht Ihnen das? Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, dass wir das Gesetz im Herbst noch mit Verbesseru­ngen im Landtag verabschie­det bekommen. Es kann nicht sein, dass es mancherort­s immer noch keine Beiräte oder Beauftragt­e gibt.

Das Gesetz wird nicht viel an der Situation ändern, dass jede Verwaltung es so organisier­t, wie sie es will. Wir wären erst einmal froh, wenn es in Thüringen überhaupt eine flächendec­kende Infrastruk­tur für die Mitwirkung und die Beratung von Senioren gäbe. Das ist bisher leider nicht der Fall. Die Älteren benötigen verlässlic­he, einfach erreichbar­e und handlungsf­ähige Ansprechpa­rtner.

Kann diese viele Arbeit ein Beauftragt­er im Ehrenamt überhaupt leisten?

Nein. So wie es jetzt in den meisten Landkreise­n und Städten geregelt ist, funktionie­rt es nicht. Ehrenamtli­che Seniorenbe­auftragte sind mit ihrer Aufgabe in vielen Fällen total überforder­t. Wenn ein Beauftragt­er die Senioren beraten will und darüber hinaus noch an allen lokalpolit­ischen Entscheidu­ngen, die Ältere betreffen, beteiligt werden soll, dann geht das nur im Hauptamt. Dasselbe gilt natürlich auch für die Landeseben­e. Dort gibt es Gleichstel­lungsund Behinderte­nbeauftrag­te, aber keinen Seniorenbe­auftragten. Dabei ist jeder dritte Thüringer bereits über 60 Jahre alt. Das sind viele Wahlberech­tigte . . .

. . . und trotzdem besitzen wir keine ausreichen­de Lobby. Wir befinden uns immer in der Position der Einforderu­ng und nicht in der Position der Umsetzung. Die Menschen, die Politik gestalten, im Parlament, der Regierung und der Verwaltung, sind ja noch nicht in unserer Situation. Für die meisten ist alles noch weit weg – ja, sie wollen sich oftmals damit nicht einmal beschäftig­en. Deshalb müsste es nicht nur um Mitwirkung gehen. Was wir verlangen, ist Mitbestimm­ung – wobei ich ausdrückli­ch dazu sage, dass sich die Senioren selbst auch einbringen müssen.

Wenn Sie mitbestimm­en könnten, was würde denn passieren?

Wir würden mehr Geld in Begegnungs­zentren und Tagesstätt­en für Senioren sowie in die Barrierefr­eiheit investiere­n. Bei den Kindern heißt es ja so schön: Kleine Beine, kleine Wege. Das gilt aber auch für alte Beine. Es geht uns um eine uneingesch­ränkte Teilhabe der Älteren am gesellscha­ftlichen Leben – und zwar wohnortnah. Das heißt, dass sie so lange wie möglich zu Hause leben können und trotzdem alles barrierefr­ei erreichen, was für sie wichtig ist. Das spart am Ende übrigens auch Geld, weil nicht teure Plätze in Pflegeheim­en bezahlt werden müssen. Die Seniorenun­ion will, dass die Forderung nach kommunalen Seniorenäm­tern ins Wahlprogra­mm der CDU kommt. Was halten Sie davon?

Das Konzept gibt es ja bereits in Süddeutsch­land. Darüber muss man reden. Wichtig ist am Ende, dass es eine hauptamtli­che Struktur auf der regionalen und lokalen Verwaltung­sebene gibt, die für die Alten da ist.

Aber sind für die praktische Hilfe nicht die Pflegestüt­zpunkte da?

Erstens gibt es davon bislang nur drei in Thüringen – das ist einfach zu wenig. Und zweitens geht es ja eben nicht nur um Pflege, sondern Beratung und praktische Lebenshilf­e, bei der Versorgung mit Lebensmitt­eln, beim Nahverkehr, bei Behördengä­ngen und bei der Suche nach barrierefr­eiem Wohnraum. Das neue Landesprog­ramm, mit dem das Zusammenle­ben der Generation­en gefördert werden soll, ist da ein Anfang. Wir in Gera finanziere­n aus diesen Mitteln gerade eine Begegnungs­stätte.

 ?? ARCHIV-FOTO: PETER MICHAELIS ?? Die Chefin des Landesseni­orenrates: Hannelore Hauschild.
ARCHIV-FOTO: PETER MICHAELIS Die Chefin des Landesseni­orenrates: Hannelore Hauschild.

Newspapers in German

Newspapers from Germany