Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
„Wir verlangen Mitbestimmung“
Die Chefin des Landesseniorenrates, Hannelore Hauschild, über Fortschritte und Mängel der Thüringer Gesetzgebung
Erfurt/Gera. Hannelore Hauschild wirkt für ihre 72 Jahre noch überaus aktiv. Sie ist für die SPD Mitglied des Geraer Stadtrats, leitet den Seniorenbeirat und ist zudem die örtliche Seniorenbeauftragte. Darüber hinaus ist sie Chefin des Landesseniorenrats, der gerade am Entwurf eines neuen Seniorenmitwirkungsgesetzes mitarbeitet. Wir sprachen mit ihr darüber.
Frau Hauschild, das Gesetz sieht vor, Seniorenbeiräte und -beauftragte in Kreisen und kreisfreien Städten zur Pflicht zu machen. Reicht Ihnen das? Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, dass wir das Gesetz im Herbst noch mit Verbesserungen im Landtag verabschiedet bekommen. Es kann nicht sein, dass es mancherorts immer noch keine Beiräte oder Beauftragte gibt.
Das Gesetz wird nicht viel an der Situation ändern, dass jede Verwaltung es so organisiert, wie sie es will. Wir wären erst einmal froh, wenn es in Thüringen überhaupt eine flächendeckende Infrastruktur für die Mitwirkung und die Beratung von Senioren gäbe. Das ist bisher leider nicht der Fall. Die Älteren benötigen verlässliche, einfach erreichbare und handlungsfähige Ansprechpartner.
Kann diese viele Arbeit ein Beauftragter im Ehrenamt überhaupt leisten?
Nein. So wie es jetzt in den meisten Landkreisen und Städten geregelt ist, funktioniert es nicht. Ehrenamtliche Seniorenbeauftragte sind mit ihrer Aufgabe in vielen Fällen total überfordert. Wenn ein Beauftragter die Senioren beraten will und darüber hinaus noch an allen lokalpolitischen Entscheidungen, die Ältere betreffen, beteiligt werden soll, dann geht das nur im Hauptamt. Dasselbe gilt natürlich auch für die Landesebene. Dort gibt es Gleichstellungsund Behindertenbeauftragte, aber keinen Seniorenbeauftragten. Dabei ist jeder dritte Thüringer bereits über 60 Jahre alt. Das sind viele Wahlberechtigte . . .
. . . und trotzdem besitzen wir keine ausreichende Lobby. Wir befinden uns immer in der Position der Einforderung und nicht in der Position der Umsetzung. Die Menschen, die Politik gestalten, im Parlament, der Regierung und der Verwaltung, sind ja noch nicht in unserer Situation. Für die meisten ist alles noch weit weg – ja, sie wollen sich oftmals damit nicht einmal beschäftigen. Deshalb müsste es nicht nur um Mitwirkung gehen. Was wir verlangen, ist Mitbestimmung – wobei ich ausdrücklich dazu sage, dass sich die Senioren selbst auch einbringen müssen.
Wenn Sie mitbestimmen könnten, was würde denn passieren?
Wir würden mehr Geld in Begegnungszentren und Tagesstätten für Senioren sowie in die Barrierefreiheit investieren. Bei den Kindern heißt es ja so schön: Kleine Beine, kleine Wege. Das gilt aber auch für alte Beine. Es geht uns um eine uneingeschränkte Teilhabe der Älteren am gesellschaftlichen Leben – und zwar wohnortnah. Das heißt, dass sie so lange wie möglich zu Hause leben können und trotzdem alles barrierefrei erreichen, was für sie wichtig ist. Das spart am Ende übrigens auch Geld, weil nicht teure Plätze in Pflegeheimen bezahlt werden müssen. Die Seniorenunion will, dass die Forderung nach kommunalen Seniorenämtern ins Wahlprogramm der CDU kommt. Was halten Sie davon?
Das Konzept gibt es ja bereits in Süddeutschland. Darüber muss man reden. Wichtig ist am Ende, dass es eine hauptamtliche Struktur auf der regionalen und lokalen Verwaltungsebene gibt, die für die Alten da ist.
Aber sind für die praktische Hilfe nicht die Pflegestützpunkte da?
Erstens gibt es davon bislang nur drei in Thüringen – das ist einfach zu wenig. Und zweitens geht es ja eben nicht nur um Pflege, sondern Beratung und praktische Lebenshilfe, bei der Versorgung mit Lebensmitteln, beim Nahverkehr, bei Behördengängen und bei der Suche nach barrierefreiem Wohnraum. Das neue Landesprogramm, mit dem das Zusammenleben der Generationen gefördert werden soll, ist da ein Anfang. Wir in Gera finanzieren aus diesen Mitteln gerade eine Begegnungsstätte.