Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Bouteflikas Abschied auf Raten
Algeriens Präsident tritt nicht mehr an
Tunis/Algier. Hunderttausende Algerier gingen in den vergangenen drei Wochen auf die Straßen, um ihrem Frust über die Herrschenden Luft zu machen. Am Montagabend zeigte das Machtkartell erstmals Wirkung und wich einen Schritt zurück. Präsident Abdelaziz Bouteflika blies seine fünfte Kandidatur ab und verschob den Wahltermin. Für die Demonstranten ein erster Sieg, doch entschieden ist der Kampf um die Zukunft Algeriens noch lange nicht. Denn die Nomenklatura, ein Geflecht von Politikern, Generälen und Oligarchen, spielt auf Zeit. Sieben Punkte umfasst das Manifest des Präsidentenpalastes, das auf den ersten Blick daherkommt wie ein Reformfahrplan. Der Text strotzt geradezu von bombastischen Vorsätzen.
Doch einen Tag danach keimt im Volk wieder Misstrauen. Von Tricksereien sprachen demonstrierende Studenten. Denn schon die neue Interimsregierung führt wieder ein alt-bekanntes Gesicht – Innenminister Noureddine Bedoui. Auch Bouteflika selbst bleibt weiter an Bord. Bis zur Wahl eines Nachfolgers will er sein Amt behalten, also mindestens bis zum Frühjahr 2020, ein Jahr länger als nach der Verfassung erlaubt.
Bouteflika rief eine Nationale Konferenz aus: Alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Oppositionsparteien sollen eine Verfassungsreform erarbeiten und das Ergebnis bis Ende des Jahres zum Referendum vorlegen. Diese verfassungsgebende Versammlung aber wird nicht gewählt, sondern von den Machthabern ernannt: Ihre Legitimität ist also von vornherein geschmälert. (geh)