Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
,,Das hat mit Almosen nichts zu tun''
Ministerprasidentin Malu Dreyer uber Grundrente und K-Fragen
Berlin. Malu Dreyer nimmt sich Zeit beim Redaktionsbesuch und wirkt, als ginge die Hektik des Berliner Politikbetriebs spurlos an ihr vorbei. Die Regierungschefiin von RheinlandPfalz hat allen Grund, Ruhe und Selbstbewusstsein auszustrahlen. Sie ist eine von nur zwei Ministerpräsidentinnen Deutschlands und jemand, der es schafft, in schwierigen Zeiten für die SPD Wahlen zu gewinnen. Die SPD liegt in Umfragen noch unter den 20,5 Prozent von Martin Schulz bei der Bundestagswahl. Bereuen Sie, dass Sie einer Neuauflage der großen Koalition zugestimmt haben? Malu Dreyer: Nein. Unser Ergebnis bei der Bundestagswahl war schlecht. Aber nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen mussten wir Verantwortung für das Land übernehmen. Die Außendarstellung der ersten sieben Monate der großen Koalition war wirklich schrecklich – vor allem weil sich CDU und CSU ständig bekriegt haben. Aber die letzten Monate sind besser gelaufen ...
Wirklich?
Die SPD hat sehr viel für die Menschen bewegt: Die Wiederherstellung der Parität, das Starke-Familien-Gesetz, die Sicherung des Rentenniveaus – ich könnte weitere Beispiele nennen. Verloren gegangenes Vertrauen lässt sich nicht von heute auf morgen wiederherstellen. Aber ich glaube schon, dass wir jetzt auf einem sehr guten Weg sind. Unser Sozialstaatskonzept hat gezeigt: Wir werden klarer in unseren Positionen. Die SPD ist wieder da. Sie wollen im Herbst eine Zwischenbilanz ziehen. Bringt die Koalition der SPD genug, um die volle Wahlperiode daran festzuhalten? Wir sind mit der Absicht angetreten, bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 zu regieren. Es gibt überhaupt keinen Grund, ständig und immer wieder darüber zu sprechen, ob die Koalition mit der Union weitergeführt wird. Wir werden eine Halbzeitbilanz haben – das ist auch in anderen Regierungen völlig normal. Dann werden wir Bilanz ziehen, ob der Koalitionsvertrag eingehalten wird. Das ist die Messlatte.
Warum haben Sie überhaupt eine Überprüfungsklausel im Koalitionsvertrag verankert? In der letzten großen Koalition sind Herzensanliegen der SPD am Ende nicht mehr umgesetzt worden – auf Betreiben der CDU. Jetzt wollen wir sicherstellen, dass die Projekte, die wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, tatsächlich zustande kommen. Und danach sieht es gerade auch aus.
Was sind Ihre Herzensanliegen?
Einige davon haben wir schon auf den Weg gebracht, etwa die fünf Milliarden Euro für die digitale Ausstattung unserer Schulen oder die Brückenteilzeit, die ein Riesenstreitpunkt in der letzten Wahlperiode war. Ein Herzensanliegen ist mir auch, die Respekt-Rente umzusetzen. Es ist zutiefst ungerecht, wenn Menschen ihr Leben lang arbeiten und dann auf dem Niveau der Grundsicherung landen – nur weil sie niedrige Löhne hatten. Das hat mit Almosen nichts zu tun, auch wenn Herr Lindner von der FDP da herumätzt.
Sind Sorgen unberechtigt, die junge Generation könnte über Gebühr belastet werden? Diese Bedenken kann man ausräumen. Der Bundeshaushalt ist ziemlich groß. Die FDP – wie im Übrigen auch die CDU – möchte mit dem Doppelten dessen, was wir für die Grundrente brauchen, die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung beim Solidaritätszuschlag entlasten. Mir ist es viel wichtiger, dass es gerechter zugeht in der Gesellschaft.
Sie wollen nicht einmal die Bedürftigkeit prüfen, bevor Sie die Grundrente auszahlen – also ob jemand eine Wohnung oder anderes Vermögen besitzt. Was soll daran gerecht sein?
Eine solche Prüfung ist in Ordnung, wenn es um Transferleistungen des Staates geht. Die Respekt-Rente ist aber keine Sozialleistung. Es geht um Rente, um Respekt vor Lebensleistung. Die CSU hätte auch protestiert, wenn wir verlangt hätten, dass die Mütterrente erst nach einer Bedürftigkeitsprüfung gewährt wird. Wenn Sie sich gegen eine komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags sperren, kommen Sie in Konflikt mit dem Grundgesetz.
Wenn wir im Gegenzug den Spitzensteuersatz erhöhen, sind wir einverstanden, den Soli abzuschaffen. Eine einseitige Entlastung der Reichen wird es mit uns nicht geben.
Andrea Nahles ließ wissen, dass sie sich die nächste Kanzlerkandidatur zutraut. Hat die SPD-Vorsitzende dabei Ihre Unterstützung? Selbstverständlich. Andrea Nahles ist ja unsere Parteivorsitzende.
Was ist mit Finanzminister Olaf Scholz, der sich ebenfalls für kanzlerfähig hält? Natürlich muss sich Olaf Scholz als Vizekanzler die Kanzlerkandidatur zutrauen.
Und Sie selbst?
Die Frage stellt sich nicht. Ich habe mich entschieden, in Rheinland-Pfalz zu bleiben.
„Ich habe mich entschieden, in Rheinland-Pfalz zu bleiben.“