Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Wagenknechts emotionaler Auftritt
Chefin der Linke-Faktion will sich „bestimmten Grad an Dauerstress“nicht mehr zumuten
Berlin. Einen „bestimmten Grad an Dauerstress“wolle sie sich nicht mehr zumuten, sagt sie. Die Gründe seien schlicht, „dass meine Gesundheit mir Grenzen gesetzt hat“. Sie habe gespürt: „Wenn man den Warnschuss nicht ernst nimmt, geht das nicht gut aus.“
Sahra Wagenknecht steht in einem limettenfarbenen Kostüm auf der Fraktionsebene des Bundestages vor der roten Wand der Linke-Fraktion, neben ihr der Co-Vorsitzende Dietmar Bartsch. Sie spricht zum ersten Mal über ihren Rückzug von der Fraktionsspitze, den sie am Montag den 69 Linke-Abgeordneten in einer E-Mail mitgeteilt hat. Es ist für ihre Verhältnisse ein emotionaler Auftritt. Sie wirkt an diesem Dienstagnachmittag erleichtert. Sie sagt: „Ich bin auch ganz froh, dass der Tag gestern jetzt vorbei ist.“
Die 49-Jährige war zwei Monate krank. Was genau sie hatte, ist nicht bekannt. Auch wenn sie bei den Wahlen zur Fraktionsspitze nicht mehr antritt, sie versichert: „Ich bleibe ein politischer Mensch.“Sie verspricht, in den Wahlkämpfen mitzumischen. Die Linke ist nervös – im September und Oktober stehen Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Im Osten steht die Partei durch das Erstarken der AfD bei der Bundestagswahl massiv unter Druck.
Wagenknecht ist die populärste Politikerin, auch weil sie so streitbar und so umstrittenen ist. Viele Abgeordnete kritisierten sie wegen der Gründung der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Gerüchte über Mobbing in der Fraktion weist sie am Dienstag nicht zurück: „Welchen Begriff man dafür findet, das kann jeder für sich entscheiden.“
Der Rückzug am Montag fiel auf einen Jahrestag: Vor 20 Jahren war ihr heutiger Mann Oskar Lafontaine als SPD-Chef und Bundesfinanzminister zurückgetreten. Laut Wagenknecht war das so nicht geplant: „Das mit dem Datum ist ein wirklich ziemlich blöder Zufall, der mir leider zu spät aufgefallen ist.“
An der Fraktionsspitze wird sich womöglich gar nicht so viel ändern. Gut vorstellbar ist, dass Bartsch die Fraktion alleine führt, wie Gregor Gysi bis 2015. Anders als bei den Grünen ist bei der Linken die Doppelspitze kein Muss.
Und auch Wagenknecht will sich nichts verbauen. Auf die Frage, ob sie in Zukunft ein Spitzenamt in der Politik ausschließe, sagt sie: „Biografien haben oft viele, viele Wendepunkte.“