Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Merz zweifelt an Groko-Bestand
Friedrich Merz über die Niederlage gegen Kramp-Karrenbauer und seine Politik-Pläne
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat Zweifel geäußert, ob die große Koalition bis zum Ende der Wahlperiode hält. „Diese Regierung kommt einfach nicht so richtig in einen normalen Arbeitsmodus. Vor allem die SPD hadert nach wie vor mit der großen Koalition“, sagte der unterlegene Bewerber um den CDU-Vorsitz im Gespräch mit der Ostthüringer Zeitung. „Das macht die Sache natürlich für alle Beteiligten enorm schwierig.“Ob das Bündnis bis 2021 Bestand habe, „werden wir spätestens nach den Europawahlen und nach den Landtagswahlen in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Thüringen und mit der vorgesehenen Halbzeitbilanz zum Ende des Jahres sehen“, sagte er, und weiter: „Wetten würde ich heute nicht darauf.“(fmg)
Es war das politische Comeback des Jahres 2018. Der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz bewarb sich um den CDU-Vorsitz – und unterlag nach neun Jahren Politikabstinenz der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer nur knapp. Danach wurde es ruhiger um ihn, nun kehrt zurück. Als Kandidat für den Vize-Vorsitz des CDU-Wirtschaftsrats – und mehr? Sie wollten Angela Merkel an der Spitze der CDU nachfolgen – und sind Annegret KrampKarrenbauer unterlegen. Haben Sie die Niederlage schon verwunden? Friedrich Merz: Wir haben einen organischen Wechsel an der Spitze unserer Partei organisiert, und der ist so gut gelaufen, dass andere Parteien uns zu Recht darum beneiden. Mit dem Wahlergebnis bin ich natürlich nicht sehr zufrieden, aber zufrieden. Zufrieden? Es haben mir nur 18 Stimmen gefehlt bei 1000 Delegierten. Das ist doch kein schlechtes Ergebnis, mit dem ich unzufrieden sein muss. Über 48 Prozent nach neun Jahren außerhalb der aktiven Politik darf ich mich nicht beschweren. Und es macht mir große Freude zu sehen, wie die neue Parteivorsitzende die Arbeit anpackt. Ich unterstütze sie dabei und möchte, dass sie Erfolg hat. WiesiehtIhreUnterstützung aus? Wir sprechen über einige Themen. Und ich habe den sicheren Eindruck, dass sie gezielt daran geht, das Spektrum der Partei wieder zu vergrößern. Dazu braucht sie Personen, deren Vertrauen sie genießt. Ich kann aus der wirtschaftspolitischen und der außenpolitischen Sicht einiges beitragen. Das tue ich gern und aus Überzeugung. Können Sie so einfach vom Konkurrenten zum Unterstützer werden? Es gab in dem innerparteilichen Wahlkampf ja keine Illoyalitäten untereinander. Es gab eine normale Konkurrenz, und es war immer klar: Einer wird das Amt bekommen und zwei werden es nicht bekommen. Ich habe auf dem Bundesparteitag unmittelbar nach der Wahl gesagt, dass ich die neue Parteivorsitzende unterstützen werde, und das gilt. Ihre Anhänger waren enttäuscht, dass Sie nicht bereit waren, für das Präsidium der CDU zu kandidieren. Das habe ich ganz bewusst nicht getan. Ich hätte entweder die Verteidigungsministerin als stellvertretende Parteivorsitzende gefährdet, dann wäre das Frauenquorum nicht mehr erfüllt gewesen. Oder ich hätte meinen eigenen Ministerpräsidenten Armin Laschet gefährdet. Beides wollte ich nicht. Warum kandidieren Sie jetzt als Vizepräsident des CDUWirtschaftsrats? Weil sich diese Aufgabe besser mit Ihren Posten in der Privatwirtschaft verbinden lässt? Ich bin seit vielen Jahren normales Präsidiumsmitglied des Wirtschaftsrates. Jetzt bin ich gebeten worden, als stellvertretender Präsident weiter an der Arbeit des Wirtschaftsrates mitzuwirken. Ich habe mir das überlegt und denke, dass ich mit einer neuen Präsidentin Astrid Hamker gut zusammenarbeiten kann. Das gibt mir auch einen größeren politischen Spielraum. Ist der Wirtschaftsrat ein Sprungbrett? Der Wirtschaftsrat ist eine Unternehmerorganisation, die der CDU nahesteht, aber nicht ein Teil von ihr ist. Ich will das Amt konstruktiv ausüben und habe dabei keine personalpolitischen Hintergedanken. Sie haben im Winter Ihre Bereitschaft erklärt, einen Ministerposten zu übernehmen. Gilt das noch? Meine Bemerkung ist offenbar missverstanden worden als Bewerbung für das gegenwärtige Kabinett. Das war es ausdrücklich nicht. Ich habe ganz grundsätzlich gesagt: Wenn ich gefragt werde, bin ich bereit, ein Amt in der Regierung zu übernehmen. Warum sollte sich daran etwas geändert haben? Kann die CDU auch im Wahlkampf auf Sie zählen? Ich habe kein Amt in der Politik und bewerbe mich auch gegenwärtig nicht darum. Aber ich empfinde mein Wahlergebnis vom CDU-Parteitag als Verpflichtung, meine Person und meine Sicht der Dinge zu den Sachthemen einzubringen. Genau das tue ich bei verschiedenen Gelegenheiten. Wie bewerten Sie Forderungen aus der Union, Merkel solle auch das Kanzleramt für Kramp-Karrenbauer räumen? Die Union braucht derzeit keine Personaldebatte zu führen. Wir haben ein gewähltes Parlament und eine gewählte Regierung. Die Bürger erwarten zu Recht, dass die Regierung ihre Arbeit macht. Ist die neue Parteivorsitzende automatisch auch die neue Kanzlerkandidatin? Diese Frage ist von Annegret Kramp-Karrenbauer klar beantwortet worden und bedarf keiner weiteren Kommentierung. Kanzlerkandidat Merz – wie realistisch ist das? Es geht jetzt um die richtigen Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit und nicht um Personalspekulationen. Deutschland muss zum Beispiel in der Europapolitik wieder besser und aktiver werden.