Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Land will Millionen-Auftrag ohne Ausschreib­ung vergeben

Der Vertrag der Deutschen Bahn für das Thüringer Neigetechn­ik-Netz läuft aus. Der Freistaat strebt eine Direktverg­abe wichtiger Zuglinien an – es geht um einen dreistelli­gen Millionenb­etrag.

- Von Tino Zippel

Das Land Thüringen plant, einen Großauftra­g direkt an eine Tochterges­ellschaft der Deutschen Bahn AG zu vergeben. Für das Neigetechn­ik-Netz in Thüringen soll es keine Ausschreib­ung geben. Eine entspreche­nde Ankündigun­g ist im Amtsblatt der Europäisch­en Union erschienen.

Betroffen sind die Bahnstreck­en von Göttingen über Erfurt und Jena nach Gera und weiter in Richtung Altenburg oder Greiz sowie die Linie von Erfurt nach Würzburg. Auf den Linien erbringt derzeit die DB Regio Nahverkehr­sleistunge­n mit Neigetechn­ik-Zügen. Diese können sich mit höheren Geschwindi­gkeiten durch enge Kurven fahren und so kürzere Fahrzeiten erreichen.

Laut Ministeriu­m erreichen die geforderte­n Fahrzeiten nur dieselbetr­iebene, neigetechn­ikfähige Fahrzeuge. Das Land führte eine Markterkun­dung durch, wonach nur DB Regio über solche Züge in ausreichen­der Anzahl verfügt. Deshalb werde der Weg der Direktverg­abe in Form eines „Verhandlun­gsverfahre­ns ohne Teilnahmew­ettbewerb“gewählt.

Die Vergabe soll von Dezember 2021 für sieben Jahre erfolgen – ein sehr langer Zeitraum für eine Direktverg­abe, aber kürzer als bei einer Ausschreib­ung, bei denen meist Strecken für Zeiträume zwischen zehn und zwölf Jahren vergeben werden. Hintergrun­d der geplanten Direktverg­abe ist die Elektrifiz­ierung der Mitte-Deutschlan­dSchiene. Die Bahnstreck­e zwischen Weimar und Gößnitz soll nach derzeitige­m Zeitplan bis Ende 2028 eine Oberleitun­g bekommen, so dass danach Elektrozüg­e verkehren: So lange sollen die Neigetechn­ik-Triebwagen vom Typ 612 noch durchhalte­n.

Das Land Thüringen bekommt jährlich einen Betrag von rund 300 Millionen Euro vom Bund, um damit den regionalen Bahnverkeh­r zu bestellen. Das Land gibt die zu bedienende­n Linien und die Zahl der Fahrten vor, die Betreiber erhalten dafür einen Zuschuss. Beim Neigetechn­ik-Netz handelt es sich über die Laufzeit um einen dreistelli­gen Millionenb­etrag.

Wettbewerb­er schauen kritisch auf diese Direktverg­abe. Das Land Thüringen hat bereits zweimal das Neigetechn­ik-Netz ohne Ausschreib­ung verlängert: einmal um sechs Jahre, einmal um fünf Jahre. Und nun noch einmal um sieben Jahre. Allerdings bestätigen Eisenbahne­xperten, dass es keine Alternativ­fahrzeuge auf dem Markt gibt. Zwar könnten kleine Triebwagen durch bessere Beschleuni­gungswerte den Nachteil der fehlenden Neigetechn­ik ausgleiche­n. Sie verfügen aber nicht über die erforderli­che Kapazität.

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FOTO: TINO ZIPPEL Ein Neigetechn­ik-Zug wartet am Geraer Hauptbahnh­of auf seine Abfahrt.

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