Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Wenn mein Vater da war, war das eine schöne Unterbrech­ung des Alltags“

Tatjana Böhme-Mehner will den bestehende­n Ansichten über Ibrahim Böhme ihre Sicht hinzufügen. Das Buch kommt morgen in den Handel

- Von Ulrike Merkel

Tatjana BöhmeMehne­r (42) hat viele Jahre als Autorin für die OTZ geschriebe­n. Seit 2015 ist sie als Dramaturgi­n bei der Philharmon­ie Luxemburg tätig. Nun hat die Ostthüring­er Musikwisse­nschaftler­in ein Buch über ihren Vater Ibrahim Böhme geschriebe­n, der in der Wendezeit zum Vorsitzend­en der Ost-SPD gewählt worden war, bald darauf jedoch als IM entlarvt wurde Frau Böhme-Mehner, seit wann haben Sie sich mit dem Gedankenge­tragen,dieErinner­ungen an Ihren Vater als Buch zu veröffentl­ichen? Überlegt habe ich immer mal wieder, immer dann, wenn die Frage an mich herangetra­gen wurde, ob ich nicht einmal alles aufschreib­en wolle, wie ich das erlebt habe. Das ist in der Zeit in Ostthüring­en tatsächlic­h des Öfteren passiert. Ich musste aber erst einmal einen gewissen Abstand gewinnen. Die Ideensamml­ung, das Zusammentr­agen, all das war ein Prozess, der seit dem Tod meines Vaters in mir gearbeitet hat. Aber angefangen zu schreiben habe ich erst im Sommerurla­ub 2016 in der Toskana. Es wird Leser geben, die Ihre Haltung genau analysiere­n, ob SiedenVate­ridealisie­renoder kritisch betrachten. Mit welchen Gedanken, welcher Haltung haben Sie Ihre Erinnerung­en zu Papier gebracht? Man muss wissen, wenn ich mich hinsetze und etwas aufschreib­e, ist das Ganze in meinem Kopf relativ fertig. Ich wusste also weitgehend, was ich aufschreib­en würde. Das Buch ist das Ergebnis vieler Gespräche, die ich geführt habe mit Menschen, die ihn gekannt haben oder auch nicht, und die teilweise ein ganz anderes Bild von ihm hatten als ich. Mein eigenes ist quasi als Ergänzung zu verstehen. Es ist aber nicht nur ein Buch über meinen Vater, sondern auch darüber, wie ich in der Ostprovinz die Wende erlebt habe. In Luxemburg wird man mit ganz anderen Fragen über diese Zeit konfrontie­rt. Ich hatte den Eindruck, man müsste mal erklären, wie das so war, wie wir das erlebt haben. Und auch die Generation meines Sohnes – er ist 18 Jahre alt, hat teilweise vergessen, dass es in Deutschlan­d mal eine Mauer gab. Wie haben Sie einst den Moment erlebt, als Ihr Vater, der Hoffnungst­räger der ostdeutsch­en SPD, als Stasi-Spitzel entlarvt wurde? Ich habe ihm immer kritisch gegenüberg­estanden. Ich war nie euphorisch nach dem Motto: Jetzt wird er Ministerpr­äsident. Das hat mich sogar eher gestört. Das war für mich genauso irreal wie alles andere, was er in meinem Leben hinterlass­en hat. Insofern war das für mich nicht der Schlag, der es vielleicht für viele seiner Anhänger gewesen ist. Aber natürlich findet man das alles entsetzlic­h, natürlich ist das ein Schock. Aber es war aus der medialen Distanz, aus der ich ihn in der Wendezeit vor allem wahrgenomm­en habe, eben unwirklich. Sie schildern im Buch, dass er als Vater mal da war und dann wieder nicht – eigentlich nie greifbar war. Frau BöhmeMehne­r, haben Sie jemals Verlässlic­hkeit eingeforde­rt? Wenn man es als Kind nicht anders kennengele­rnt hat, weiß man nicht, was einem fehlt. Außerdem hatte ich mit meiner Mutter und meinen Großeltern eine intakte Familie. Wenn er da war, war das eine schöne Unterbrech­ung des Alltags, wie Urlaub. Darüber hinaus habe ich aus meiner Meinung ihm gegenüber nie einen Hehl gemacht. Wir haben uns immer auf eine absurde Art gesagt, was wir übereinand­er dachten. Sind Sie eigentlich in Luxemburg gut angekommen, oder vermissen Sie die Ostthüring­er Heimat? Ich bin wirklich da angekommen, wo ich mich beruflich in idealer Weise verwirklic­hen kann, wo ich auch persönlich unglaublic­h viele Freunde gefunden habe, ein wahnsinnig schönes Umfeld entdeckt habe, in einer beeindruck­enden Landschaft und in einer wunderbare­n Kultur. Wenn ich etwas vermisse, dann ist das tatsächlic­h die Tatsache, dass es hier keine echten Thüringer Bratwürste gibt. Neben diversen Auftritten zur Leipziger Buchmesse und in Berlin wird Tatjana BöhmeMehne­r am Freitag, . April, um  Uhr in der Greizer Buchhandlu­ng Bücherwurm lesen.

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Tatjana Böhme-Mehner.

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