Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Bloß keine Mini-Merkel sein
Annegret Kramp-Karrenbauer ist am Sonntag Tage im Amt als CDU-Vorsitzende. Fünf davon lohnen eine nähere Betrachtung
Berlin. Der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD am Donnerstagabend verlief etwas hektisch. Es kam häufiger zu Grüppchenbildungen. Die Trennlinie verlief zwischen Teilnehmern mit und ohne Bundestagsmandat. Während Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Chefin Andrea Nahles und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt etwa zum Hammelsprung ins Plenum mussten, hatte CDUChefin Annegret Kramp-Karrenbauer Gespräche mit CSU-Chef Markus Söder und Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Irgendein Anzeichen für ein gespanntes Verhältnis zwischen Merkel und ihrer Nachfolgerin im Parteiamt? Überhaupt nicht, die beiden verstünden sich gut, berichten Teilnehmer. Am Sonntag ist es 100 Tage her, dass Kramp-Karrenbauer von Merkel übernommen hat. Ein Überblick über die markantesten Aufschläge:
8. Dezember 2018, Hamburg Am Tag nach ihrer Wahl tritt Kramp-Karrenbauer gemeinsam mit ihrem neuen Generalsekretär auf die Bühne – der zuvor mit einem nur mäßigen Ergebnis gewählt worden ist. Zu viele nahmen dem damaligen Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, den Wechsel in das gemäßigte Lager übel. Verjüngung und Einbindung der Unzufriedenen, das war ihr Ziel. Merkel hatte in den letzten Jahren meist auf loyale Vertraute gesetzt. 19. Januar, München CSU-Parteitag: Die neue CDUChefin bekommt einen warmen Empfang. Sie beschwört die Gemeinschaft von CDU und CSU als „eine politische Familie“. „CDU und CSU sind nicht gleich, aber wir ziehen am gleichen Strang. Dafür reiche ich dir, Markus, die Hand.“Was sie von ihrer Vorgängerin Angela Merkel unterscheidet? Antwort aus der CSU-Spitze: „Wir haben nie gemeinsame Werte festgestellt.“
10. Februar 2019, Berlin
Das CDU-Werkstattgespräch zur Migration stellt die größte Zäsur in der jungen Kramp-Karrenbauer-Ära dar. Sie ließ Experten und Parteifreunde Thesen erarbeiten, die einen deutlich härteren Law-and-OrderKurs im Bereich der Asylpolitik etablieren. Auch die Grenzschließung als letztes Mittel schloss sie in einem TV-Interview nicht aus.
28. Februar, Stockach
Das Stockacher Narrengericht hatte die neue CDU-Chefin in drei Punkten angeklagt. Einer der närrisch gemeinten Vorwürfe: Kramp-Karrenbauer habe sich der „gewaltsamen Kastration der CDU“schuldig gemacht. Kramp-Karrenbauer verteidigte sich auf der Bühne und sagte über Toiletten für das dritte Geschlecht: „Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen.“Sie erntete herbe Kritik. Kramp-Karrenbauer gab am Aschermittwoch eine Antwort: „Wenn wir da so verkrampfen, wie wir es in den letzten Tagen getan haben, dann geht ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland kaputt – und das sollten wir nicht zulassen.“
10. März, Berlin
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stellt Ideen für Europa vor – es antwortet die CDU-Chefin. Die Botschaft ist klar: Auch international redet Kramp-Karrenbauer mit. Was trübt die Freude über die 100 Tage? Umfragen zeigen, dass sie in ihrer Beliebtheit etwas eingebüßt hat. Laut ZDF-„Politbarometer“etwa halten sie 51 Prozent der Deutschen als Kanzlerin für ungeeignet.