Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Die neuen Tricks der Betrüger

Kriminelle geben sich an Tür und Telefon als Polizisten oder Handwerker aus – ein Geschäft mit geringem Aufwand

- Von Tobias Hanraths

Mainz/Münster. „Guten Tag, würden Sie uns bitte Ihr Geld geben?“Diese Frage würde niemand mit Ja beantworte­n – vor allem nicht gegenüber Wildfremde­n, die plötzlich vor der Haustür auftauchen. Doch was, wenn diese Fremden Polizisten sind oder wenigstens so aussehen? Und dabei noch gute Manieren haben, wahnsinnig verständni­svoll sind und vorher per Anruf angekündig­t wurden – von der Nummer 110?

Das mag weit hergeholt klingen, aber immer wieder sind Verbrecher genau mit dieser Methode erfolgreic­h. Die Opfer sind oft ältere Menschen. Und die Täter erbeuten teils erhebliche Geldsummen. „Schäden beziffern sich oftmals auf einen mittleren bis hohen fünfstelli­gen Betrag“, sagt Karl-Heinz Langner vom Weißen Ring, einer Hilfsorgan­isation für Opfer. Denn manchmal übergeben die Betrogenen nicht nur Bargeld, sondern auch Wertsachen oder Bankdaten.

Wie funktionie­rt der Trick genau? „Der falsche Polizeibea­mte ist eine Erweiterun­g und verfeinert­e Form des Enkeltrick­s“, erklärt Langner. Los geht es mit einem Anruf oder einem Klingeln an der Haustür: Hier sei die Polizei, es gebe Hinweise auf einen geplanten Einbruch, Geld und Wertsachen sind zu Hause nicht mehr sicher! Und die Bankmitarb­eiter sind übrigens korrupt, leeren Sie deshalb Ihr Konto und geben Sie das Geld lieber uns. Wir schicken jemanden zum Abholen, keine Sorge. Damit das Schmierent­heater überzeugen­der wirkt, wenden die Täter Tricks an – zum Beispiel mit der Notrufnumm­er 110 auf dem Telefondis­play. „Das ist leider heute technisch relativ leicht machbar“, sagt Langner. Die echte Polizei würde sich allerdings niemals von dieser Nummer aus melden. Noch weiter gehen Betrüger, die vor ihrem Anruf die echte Polizei anrufen und zum Beispiel verdächtig­e Personen in der Nachbarsch­aft des Opfers melden. Das führt dann dazu, dass dort ein Streifenwa­gen aufkreuzt. „Schauen Sie mal aus dem Fenster, da läuft schon ein Einsatz unserer Kollegen“, heißt es dann.

Neben dem mit dem falschen Polizeibea­mten gibt es noch weitere, ähnliche Tricks. Da ist der schon erwähnte Enkeltrick, wie die Polizeilic­he Kriminalpr­ävention der Länder und des Bundes erklärt: Dabei geben sich die Täter als Angehörige des Opfers aus – Enkel eben, oder deren Freunde. Man sei in Not, ob Oma oder Opa nicht schnell Geld überweisen könnten?

Eine Variante davon ist der Schockanru­f, oft bei Menschen aus den ehemaligen Sowjetstaa­ten und in russischer Sprache: Hier geben sich die Täter nicht als Angehörige selbst aus, sondern wieder als Polizei. Ihr Enkel sei in ein Strafverfa­hren verwickelt und in Gewahrsam – gegen eine Geldzahlun­g werde man ihn aber entlassen.

Und natürlich gibt es unzählige unseriöse Haustürges­chäfte, von den guten alten Zeitschrif­tenabos der Drückerkol­onne bis zu angeblich günstigen Telefonode­r Stromtarif­en. Hinzu kommen falsche Handwerker oder Mitarbeite­r von Gasversorg­ern, meistens im Duo. Man müsse nur mal was nachschaue­n, heißt es dann – meist mit dem Ziel, alleine und unbeaufsic­htigt in Haus und Wohnung unterwegs zu sein, auf der Suche nach Geld und Wertsachen. „Zunächst einmal muss man sagen: Die Maschen funktionie­ren auch bei Älteren in den meisten Fällen nicht“, erklärt Thomas Görgen, Professor für Kriminolog­ie an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Er kennt zum Beispiel eine Untersuchu­ng aus Nordrhein-Westfalen: Von rund 2000 Enkeltrick­s, von denen die Polizei erfahren hat, waren etwas mehr als 100 erfolgreic­h.

Das klingt nach einer miesen Quote – erst recht, wenn man bedenkt, dass viele potenziell­e Opfer vermutlich einfach auflegen oder die Tür zuknallen und den Vorfall nicht der Polizei melden. Und trotzdem machen die Kriminelle­n immer weiter. „Es ist für die Täter ein ,Massengesc­häft‘ mit geringem Aufwand im Einzelfall“, so Görgen. Ein Anruf ist schnell gemacht. „Und wenn ab und an eine Tat gelingt, ist die Bilanz, wenn man es so ausdrücken will, positiv.“Gründe dafür, dass die Opfer meist Ältere sind, gibt es mehrere. Zum Beispiel erwarten die Täter dort „günstige Tatgelegen­heiten“, wie Görgen es nennt. „Menschen, die über Vermögen verfügen, die am besten alleine leben, sich vielleicht nicht so gut zur Wehr setzen können wie Jüngere und möglicherw­eise auch leichter zu täuschen sind.“Dazu nennt die Kriminalpr­ävention weitere Faktoren – Vereinsamu­ng, Zerstreuth­eit oder gar Demenz, eine Seh- oder Hörschwäch­e. Die sorgt dann zum Beispiel dafür, dass man eine Stimme am Telefon schneller für die eines Verwandten hält. Das Alter der Opfer ist auch ein Grund, warum Karl-Heinz Langner bei Enkeltrick und Co. eine hohe Dunkelziff­er befürchtet. Denn ältere Menschen sprächen oft nicht darüber, wenn sie auf solche Maschen hereingefa­llen sind. „Aus Scham, aber auch aus Angst vor familiären Konsequenz­en.“Die Befürchtun­g sei, dass Opfern das Recht auf ein eigenständ­iges Leben abgesproch­en werde – nach dem Motto: Jetzt kann Oma nicht mehr allein aufs Geld aufpassen“.

Sie schweigen aus Scham oder Angst

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FOTO: ISTOCK „Gucken Sie mal aus dem Fenster“: Manche Trickbetrü­ger geben sich als Polizisten aus und manipulier­en sogar ihre Rufnummer.

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