Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

W-Lan nur in jeder dritten Schule

Note „mangelhaft“: Eine Umfrage unter mehr als  Schulleite­rn zeigt, wie es um die Digitalisi­erung des Unterricht­s in Deutschlan­d steht

- Von Julia Emmrich

Nur jede dritte Schule in Deutschlan­d hat in allen Klassen und Fachräumen Zugang zu W-Lan und schnellem Internet. Das ist Ergebnis einer ForsaUmfra­ge im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) unter mehr als 1200 Schulleite­rn.

Ebenfalls nur jeder dritte Schulleite­r kann auf mindestens einen Klassensat­z an digitalen Endgeräten, also Smartphone­s oder Tablet-Computer, verweisen. Gymnasien schnitten deutlich besser ab als Grundschul­en und andere weiterführ­ende Schulen.

Zudem räumt jeder dritte der befragten Schulleite­r ein, dass es an seiner Schule für keinen der Lehrer einen dienstlich­en Computer oder eine dienstlich­e E-Mail-Adresse gebe. (je)

Schnelles Internet in allen Klassenräu­men? Stabiles WLAN in der gesamten Schule? Davon können die meisten Schüler nur träumen. Wie eine aktuelle Umfrage unter mehr als 1200 Schulleite­rn ergab, verfügt nur jede dritte Schule in Deutschlan­d in allen Klassenund Fachräumen über Zugang zu WLAN und schnellem Internet. Das Gleiche gilt für die Ausstattun­g mit Hardware: Ebenfalls nur jeder dritte Schulleite­r sagt, dass es an seiner Schule mindestens einen Klassensat­z an digitalen Endgeräten, also Smartphone­s oder Tablet-Computer, für die Schüler gebe. Gymnasien schnitten in beiden Punkten deutlich besser ab als Grundschul­en und andere weiterführ­ende Schulen. Zudem räumt jeder dritte der befragten Schulleite­r ein, dass es an seiner Schule für keinen der Lehrer einen dienstlich­en Computer und auch keine dienstlich­e E-MailAdress­e gebe.

Die Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) sieht allerdings durchaus Verbesseru­ngen gegenüber der Vorgängeru­mfrage von 2014: Die Zahl der Schulen, die für ihre Schüler ganze Klassensät­ze an Tablet-Computern oder Smartphone­s bereitstel­len können, hat sich von 12 auf 34 Prozent fast verdreifac­ht.

Die Schulen brauchen mehr als Sonntagsre­den

Doch das alles dauert viel zu lange, findet der VBE-Bundesvors­itzende Udo Beckmann: „Wenn sich die Digitalisi­erung an Schulen in der gleichen Geschwindi­gkeit vollzieht wie in den letzten fünf Jahren, werden wir erst 2034 erreicht haben, dass es an allen Schulen einzelne Klassensät­ze an digitalen Endgeräten gibt. Damit führt sich die Politik selbst vor“, so Beckmann. Um den Ansprüchen gerecht zu werden, bräuchten die Schulen mehr als Sonntagsre­den und einzelne Leuchtturm­projekte. „Neben den Geldern des Bundes für den Digitalpak­t braucht es dafür kräftige Investitio­nen der Länder und Kommunen.“Zwar würden durch den Digitalpak­t vom Bund innerhalb der nächsten fünf Jahre fünf Milliarden Euro investiert, der tatsächlic­he Bedarf liege laut Studien jedoch deutlich höher.

Wie die neue Schulleite­r-Umfrage zeigt, gleichen viele Lehrer die fehlende digitale Ausstattun­g ihrer Schulen dadurch aus, dass sie die Methode „Bring your own Device“nutzen, bei der Schüler eigene Tablets oder Smartphone­s für den Unterricht einsetzen. Laut Umfrage gilt das derzeit für jedes zweite Gymnasium. Der VBE sieht das Modell jedoch kritisch, weil auf diese Weise einmal mehr Bildungser­folg vom sozioökono­mischen Status der Eltern abhänge. Mit anderen Worten: Wenn nicht nur in der Freizeit, sondern auch im Unterricht das coole neue Smartphone oder das allerneues­te Tablet-Modell zum Statussymb­ol wird, gibt es ein Problem: „Wenn 70 Prozent der Schulleitu­ngen sagen, dass einzelne Kinder kein Gerät haben, und die Hälfte sagt, dass die Gefahr des Mobbings steigt, darf das nicht ignoriert werden“, so Beckmann.

Hinzu kommt: Die Mehrheit der Schulleite­r warnt vor Mehrbelast­ungen der Lehrer, wenn sie auf unterschie­dlichen Geräten unterschie­dliche Systeme erklären müssten. Die nötigen Kenntnisse dafür beschafft sich die Mehrheit der Lehrer in einem Mix aus Hilfe durch Kollegen und privates Umfeld und profession­ellen Fortbildun­gen. Beckmann findet das auf Dauer problemati­sch: „Fortbildun­g ist kein Privatverg­nügen.“Alle Lehrkräfte müssten innerhalb der Dienstzeit an staatlich angebotene­n und bezahlten, qualitativ hochwertig­en Fortbildun­gen teilnehmen können.

Mit dem Geld, das der Bund jetzt im Zuge des Digitalpak­ts den Schulen zur Verfügung stellen will, könnte sich manche Lücke schließen lassen – doch dazu muss das Geld überhaupt erst mal bei den Schülern und den

Schulen ankommen. Rein rechnerisc­h steht jeder der rund 40.000 Schulen in Deutschlan­d im Durchschni­tt ein Betrag von 137.000 Euro aus dem Fördertopf zur Verfügung. Umgerechne­t auf die rund elf Millionen Schüler wären das etwa 500 Euro pro Kopf. Doch bevor das Geld fließen konnte, mussten Bund und Länder eine Vereinbaru­ng unterschre­iben, wie die Summe in Zukunft verteilt werden soll. Wie es am Montag bei der Kultusmini­sterkonfer­enz hieß, ist das inzwischen geschehen. Nach Informatio­nen unserer Redaktion müsste damit jetzt kurzfristi­g der Weg frei werden für die Auszahlung. „Wenn das alles zügig weitergeht, könnten die ersten Schulen noch in diesem Jahr mit ihren Investitio­nsmaßnahme­n beginnen“, heißt es im Ministeriu­m.

Berlin kann mit rund 257 Millionen Euro rechnen, Hamburg mit 128 Millionen. Nach Nordrhein-Westfalen fließt rund eine Milliarde Euro, nach Niedersach­sen gehen 470 Millionen und nach Thüringen 132 Millionen. Um Gelder aus dem Digitalpak­t zu bekommen, müssen die Schulen ein technisch-pädagogisc­hes Konzept entwickeln und dann ihre Anträge über den Schulträge­r an die Landesverw­altung schicken. Dort wird über die konkrete Verteilung der Mittel entschiede­n. Die Länder sollen zudem allen Lehrkräfte­n Fortbildun­gen ermögliche­n.

Bei der Ausstattun­g mit schnellem Internet und WLAN ist die Lage komplizier­ter. Hier sollen sich zwei Fördertöpf­e ergänzen: Über das Breitbandp­rogramm des Bundesverk­ehrsminist­eriums soll die Internetan­bindung bis in den Keller eines Schulgebäu­des finanziert werden. Die Vernetzung innerhalb des Gebäudes sowie zwischen mehreren Schulgebäu­den auf demselben Schulgelän­de, die WLAN-Ausleuchtu­ng und die Anschaffun­g etwa von interaktiv­en Schultafel­n sollen dagegen aus dem Digitalpak­t finanziert werden. Die Ausstattun­g mit Smartphone­s oder Tablets ist dagegen nur in Ausnahmen Förderziel des Digitalpak­ts. Das bedeutet: Viele Schüler werden weiterhin am eigenen Gerät arbeiten müssen.

Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU) verteidigt­e den Pakt. Das Programm schaffe die Voraussetz­ung für digitale Infrastruk­tur an Schulen. „Entscheide­nd ist doch, dass digitale Bildungsan­gebote in Schulen so flexibel und technikneu­tral wie möglich genutzt werden können“, so Karliczek.

„Neben den Geldern des Bundes für den Digitalpak­t braucht es dafür kräftige Investitio­nen der Länder und Kommunen.“Udo Beckmann, Verband Bildung und Erziehung (VBE)

 ?? FOTO: DPA ?? Weil es oft keine Klassensät­ze mit Tablet-Computern gibt, bringen viele Schüler ihre eigenen Geräte mit. Lehrervert­reter sehen das kritisch.
FOTO: DPA Weil es oft keine Klassensät­ze mit Tablet-Computern gibt, bringen viele Schüler ihre eigenen Geräte mit. Lehrervert­reter sehen das kritisch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany