Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Eingreifen in den Lauf der Dinge

Volker Braun wird  und liest am Freitag in Jena

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„Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen. / KRIEG DEN HÜTTEN. FRIEDE DEN PALÄSTEN. / Ich selber habe ihm den Tritt versetzt...“Wohl in keinem seiner Gedichte hat Volker Braun, der heute 80 Jahre alt wird, seinen innersten Zwiespalt so auf den Punkt gebracht wie in dem 1990 veröffentl­ichten „Das Eigentum“. Enttäuschu­ng und Gewissheit, Ratlosigke­it und Utopieverl­ust. Aber Volker Braun wäre nicht Volker Braun, hätte er die Georg Büchner entlehnten Verse nicht dialektisc­h gewendet und produktiv gemacht: „Was ich niemals besaß wird mir entrissen. / Was ich nicht lebte, werd ich ewig missen.“

Die Analyse der Irrtümer und Versäumnis­se, jener „trügerisch­en Hoffnung“, die „im Weg lag wie eine Falle“, beschäftig­en seither den Dichter wie keinen anderen. Schon in den 70erJahren hatte Braun mit seiner Lyrik, seinen Stücken und essayistis­chen Einlassung­en die Verwerfung­en der sozialisti­schen Gesellscha­ft zur Sprache gebracht und Reformen angemahnt. Er unterzeich­nete die Petition gegen die Ausbürgeru­ng Wolf Biermanns und gehörte zu den Initiatore­n des Aufrufs „Für unser Land“, der für einen demokratis­chen Sozialismu­s plädierte.

Als man ihn 2000 mit dem BüchnerPre­is ehrte, wurde dies in der Jenaer Ernst-Abbe-Bücherei gebührend gefeiert. Braun las Texte, mit denen er in der DDR auf Veränderun­g hingearbei­tet hatte, und nach der deutschen Vereinigun­g entstanden­e Texte, mit denen er auf die Veränderun­gen reagierte. In Jena, wo der gebürtige Dresdner eine treue Fangemeind­e hat, besteht am Freitag Gelegenhei­t, nun auch sein Jubiläum zu feiern.

Volker Braun wird aus zwei neuen Büchern lesen, die der Suhrkamp Verlag herausgebr­acht hat. In „Handstreic­he“fragt der Autor, über welche Möglichkei­ten ein Schriftste­ller heute zum Eingreifen in den Lauf der Dinge verfügt, wobei er die Schelmenpe­rspektive einnimmt: Der Schelm gründet sein Denken und Handeln auf den plebejisch­en Umgang mit den Dingen, ungehobelt­e Einsprüche, Angriffe und Verteidigu­ngen, Burlesken, Handgriffe, Fingerzeig­e, Rippenstöß­e.

Der Band „Verlagerun­g des geheimen Punkts“versammelt Untergrund­texte und Festreden; wobei die Unterschei­dung wenig besagt. Denn auch die öffentlich­en Texte mussten sich aus dem Grund herausarbe­iten, und auch in unzensiert­en Zeiten, so Braun, führt das Denken ein untergründ­iges Dasein.

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Volker Braun

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