Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Verblüffende Holzimitationen
Der gebürtige Thüringer Dietrich Klinge zeigt großformatige Bronzeskulpturen im Botanischen Garten Jena
Jeder, der die Figuren von Dietrich Klinge flüchtig betrachtet, hält sie für Holzskulpturen. Doch die großformatigen Werke, die derzeit im Botanischen Garten in Jena zwischen Rosenbüschen und exotischen Gewächsen stehen, sind aus Bronze. „Alles ist Imitation“, sagt der aus Thüringen stammende Künstler trocken. „Nichts ist heute echt.“Um diesen verblüffenden Holzeindruck entstehen zu lassen, fertigt er die Urmodelle seiner Bronzegüsse aus Holz an, bearbeitet das Material dabei vorzugsweise mit der Kettensäge.
Offiziell eröffnet wird die 13. Skulpturen-Ausstellung im Botanischen Garten am Donnerstagabend. Jeden Sommer ermöglicht der Jenaer Kunstverein einem Bildhauer oder Installationskünstler, seine Werke in Jenas grüner Oase zu präsentieren. Unter den bisherigen Künstlern seien einige Süddeutsche gewesen, über die der Verein auf den in Mittelfranken beheimateten Klinge aufmerksam wurde, erläutert Vereinsvize Jürgen Conradi.
Geboren wurde Dietrich Klinge 1954 in Heiligenstadt im Eichsfeld. Mit seinen Eltern flüchtet er im Alter von vier Jahren nach Westdeutschland und wächst in Stuttgart auf. Schon als Kind begeistert er sich für Kunst, zeichnet viel. „Ich habe Dürer und Rembrandt abgezeichnet“, erinnert er sich schmunzelnd.
Nach einem längeren Aufenthalt in Indien, Nepal und Sikkim beginnt Klinge freie Graphik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart zu studieren, 1980 schließt er noch ein Bildhauerei-Studium an. Seit 1999 lebt und arbeitet er in Weidelbach in Mittelfranken und stellt im In- und Ausland aus.
In Jena zeigt der Künstler insgesamt zehn großformatige Arbeiten. Einige haben Bezüge zu antiken oder biblischen Stoffen, etwa dem Daphne-Mythos.
Auch Adam und Eva kann der Besucher im Botanischen Garten begegnen. Die beiden kräftigen Figuren stehen an einem der Hauptwege, 50 bis 70 Meter voneinander entfernt. Sie haben keine Arme, dafür sind sie gut bestückt. „Sie sind triebgesteuert“, sagt Dietrich Klinge. Dafür brauche man keine Arme. Also hat er sie weggelassen – die Arbeit auf das Wesentliche reduziert.
Beide Figuren treten trotz ihrer Entfernung in Beziehung zueinander. Während Eva zu warten scheint, strebt Adam zu ihr, den ersten Schritt hat er schon gesetzt. Es sei ein langer Weg, meint der Bildhauer. Eine Beziehung wolle erarbeitet sein. Klinges Figuren haben oft zu wenige oder auch mal zu viele Gliedmaßen. Mitunter fehlt ihnen auch der Körper.
Der Künstler thematisiert laut Kunstverein die Darstellung des menschlichen Körpers und die Vielfalt des menschlichen Wesens. „Seine Figuren sollen keine Fakten und Tatsachen vermitteln, sondern berühren Grenzbereiche menschlicher Existenz.“Sie zeigten „die Dissonanz zwischen Erhabenheit und Zerstörung, Gefühl und Abweisung, Behauptung und Niederlage.“
Die Beziehung seiner Skulpturen zum Raum ist Klinge wichtig. Seine Reihe „Entwurf für eine große Figur“etwa wurde durch seine Frau inspiriert, die sich für den heimischen Garten eine Plastik wünschte. Die ursprüngliche Arbeit sollte sich zwischen Bäumen und Wohnhaus, einer alten Mühle, behaupten. Letztlich entstanden gleich mehrere raumgreifende Frauenfiguren, teils in beschwingter Freude festgehalten. „Ich neige zur Serie“, sagt Dietrich Klinge.