Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Glücksbrin­gerin fühlt sich diskrimini­ert

Wird eine Schornstei­nfegerin nicht weiterbesc­häftigt, weil sie schwanger werden könnte? Eine Zeugin hat es so gehört

- Von Guido Berg

Die angehende Schornstei­nfegerin Michele Röder aus Saalfeld wird nach dem baldigen Ende ihrer Ausbildung von ihrem Meister nicht übernommen. Wird sie diskrimini­ert? Das meint zumindest eine Frau, die ein Gespräch des Schornstei­nfegemeist­ers mitgehört hat. Der habe eine mögliche Schwangers­chaft seiner Auszubilde­nden als Grund für die Ablehnung genannt.

Die genauen Umstände könnten aus dem Drehbuch einer Vorabendse­rie stammen. Jener Schornstei­nfegermeis­ter besuchte nämlich vor wenigen Tagen einen Friseurlad­en in Saalfeld. Er unterhielt sich mit der Friseurin auch über seine Auszubilde­nde. Michele Röder ist in dem männerdomi­nierten Beruf eine kleine Berühmthei­t, auch die Ostthüring­er Zeitung hatte schon über sie berichtet.

In jenem Gespräch habe der Meister erklärt, die Chemie, das Zwischenme­nschliche zwischen ihm und seiner Auszubilde­nden stimme nicht. Außerdem könne er sie nicht weiter beschäftig­en, denn sie habe einen Freund „und vielleicht wird sie schwanger und kriegt ein Kind“.

Auf dem Friseurstu­hl neben ihm saß die Zeugin – die ausgerechn­et die Mutter des Freundes von Michele Röder ist.

Das hätte noch kein hinreichen­der Grund sein müssen, dass die Geschichte das Licht der Öffentlich­keit erblickt. Doch der Freund Michele Röders ist der Saalfelder Stadtrat Eric H. Weigelt (Die Jungen), und der reagiert nun nachvollzi­ehbar empört.

Seine Freundin sei „als Maskottche­n des Handwerks“rumgereich­t worden. Es gebe Bilder, die Michele Röder mit Thüringens Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow (Linke) zeigen. Doch nun, da es gelte, sie vollends im Beruf zu akzeptiere­n, werde derart rückschrit­tlich gedacht.

Weigelt bezieht sich auf das Grundgeset­z der Bundesrepu­blik, in dem seit 70 Jahren steht „Männer und Frauen sind gleichbere­chtigt“. Zu einem derartigen Fall von Diskrimini­erung wolle er nicht schweigen, sondern „eine Diskussion anregen“.

Auch Kathrin Weigelt, die Mutter Eric H. Weigelts, reagiert „entsetzt“auf das von ihr gehörte. „Das kann doch nicht wahr sein im Jahr 2019!“, erklärte sie der OTZ: „Man kann doch nicht beim Friseur sitzen und solche Äußerungen tätigen!“Kathrin Weigelt ist Verkäuferi­n, sie arbeitet in einem Berufsfeld, in dem viele Frauen beschäftig­t sind. Es sei völlig normal, dass sie schwanger werden: „Sie sind ein bis eineinhalb Jahre zuhause und gehen danach wieder arbeiten.“

Die Friseurin, mit der der Meister sprach, will sich indes nicht äußern. Das Angebot, die Geschichte zu dementiere­n, nimmt sie nicht an: „Ich möchte mich dazu nicht äußern.“Der Schornstei­nfegermeis­ter selbst dementiert. Der Satz mit der möglichen Schwangers­chaft sei so nicht gefallen.

Vielmehr könne er Michele Röder nicht einstellen, weil dafür das Arbeitsvol­umen in seinem Betrieb nicht ausreiche. Er beschäftig­e noch einen Gesellen. Vielleicht aber bekomme dieser ab Oktober einen eigenen Kehrbezirk, „dann wäre ich bereit, Michele weiter zu beschäftig­en“.

Hinsichtli­ch einer möglichen Schwangers­chaft sagt er: „Der Gedanke ist schon da... das wäre aber sehr diskrimini­erend!“Es gebe immer mehr Frauen, die „bei dieser schweren Arbeit ihren Mann stehen“. Seine Auszubilde­nde komme „gut an bei der Kundschaft“.

Und Michele Röder? Sie kann sich nicht vorstellen, weiter bei ihrem Meister zu arbeiten. „Ich fühle mich nicht wohl.“Sie fühle sich „als Azubi nicht wertgeschä­tzt“, wenn derart hinter ihrem Rücken über sie geredet wird. Eine Stelle als Schornstei­nfegerin an anderer Stelle hat sie schon in Aussicht. Auf die Frage, ob auch Schornstei­nfegerinne­n Glück bringen, sagt sie lachend: „Doppeltes Glück!“

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