Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Mit Leib und Seele
Landestrainerin Cathrin Kreibich über das Thüringer Schwimmen und das, was sie nach Jahren im Beruf mitnimmt
Nach den deutschen Jahrgangsmeisterschaften von Berlin steht für die Schwimmer mit den Thüringer Meisterschaften in Erfurt am Wochenende der letzte Saisonhöhepunkt an. Das wird er auch für Cathrin Kreibich. Die gebürtige Berlinerin, die in Posterstein im Altenburger Land lebt, hört im Juli als Landestrainerin Wir sprachen mit ihr über das Erbe, das sie dem Erfurter Schwimmen hinterlässt. Warum machen Sie Schluss?
Das sind rein persönliche Gründe, die nach zwei Jahrzehnten täglichen Pendelns auch aus der Einsicht erwachsen, dass Jegliches im Leben nicht nur seine Zeit hat, sondern diese Zeit auch endlich ist. Mein Lebensmittelpunkt wird künftig in Ostthüringen und Sachsen liegen. Auch als Schwimmtrainer?
Nein, ich werde Lehrer. In Berlin fischten Ihre Sportler noch einmal viel Edelmetall. Ein schönes Abschiedspräsent? 18 Medaillen sind überdurchschnittlich und über unseren Erwartungen liegend. Fünf haben wir gleich am ersten Tag geholt. Da war schon klar: alle sind in Top-Form. Dann wird so eine Meisterschaft zum Selbstläufer. Allen voran Franz Ahnert!
Ja, acht Medaillen, davon drei goldene, sind stark. Über 200 Meter Schmetterling ist er noch deutschen Altersklassenrekord geschwommen. Das heißt, so schnell war in Deutschland in dem Alter noch keiner. Das hatten wir schon lange nicht mehr. Also alles gut in Erfurt?
In der Tat ist die Tendenz so, dass wir in den letzten drei Jahren stets zugelegt haben – bis zur Bilanz von Berlin mit dem erwähnten deutschen Altersklassenrekord, weiteren 18 Thüringer Altersklassenrekorden und einem Thüringer Landesrekord. Und das obwohl wir im Laufe der Zeit weniger Trainer geworden sind, weniger Sportler und der Kampf um die Wasserzeiten nicht einfacher wird. Trotzdem lief die Entwicklung optimal. Das hat auch mir Spaß gemacht. Ist mal wieder ein Thüringer Olympiasieger in Sicht?
In Deutschland gibt es fünf Bundesstützpunkte, da müssen die Besten hin, um ihren Weg zu gehen. Aber es ist nicht so, dass sie dort auf Talente warten. Die picken sich schon die raus, die sie haben wollen. Bei den Sportlern fehlt bisweilen selbst etwas Motivation. Wer zu Hause trainiert, kennt die Lehrer, kennt die Trainer, kennt die ganzen Verhältnisse. Der Wunsch wegzugehen ist oftmals gar nicht da. Dann versandet die Karriere?
Wenn die Sportler vom Sportgymnasium zur Uni wechseln, wird es oft problematisch. Aus einem Umfeld, in dem alles für sie organisiert ist, kommen sie in die Eigenverantwortung. Manche stellen sich die Frage: Warum soll ich das noch machen?
Ich habe einen Fall erlebt, dass ein Schwimmer auf der Uni null Rücksicht erfahren hat, er nicht bei Meisterschaften starten konnte. Das frustriert. Dann brechen viele ab. Finanzielle Vorteile haben sie ohnehin nicht. Wie steht es um die Jüngsten? Manchmal kommen erfreulich viele, manchmal nur eine Handvoll. Da schließt sich aber gleich das Problem an, dass die Erfurter Vereine nicht genügend Wasserzeiten haben, um die Nachfrage zu bedienen. Viele müssen weggeschickt werden, weil die Gruppen voll sind. Die Wasserffläche ist aber nur das eine . . . Und das andere?
Man braucht Vereine und genügend Übungsleiter. Und alles muss ehrenamtlich funktionieren. Es geht gar nicht unbedingt um Leistungssport, sondern darum, dass die Kinder ein sinnvolles Hobby haben. Schwimmen ist ja eine sehr präventive Sportart. Die 1. Klasse ist das beste Alter, um zu beginnen. Ja, die Tendenz ist leider so. Viele Grundschüler können nicht schwimmen. Auch unter den Erwachsenen gibt es immer mehr Nichtschwimmer und in der Folge immer mehr Ertrinkungstote. Was sind die Ursachen?
Es fehlen die Lehrer. Vor allem auf dem Land wird der stetige Schwimmunterricht ein Problem. Im Februar wurde der Fall des Dopingarztes Mark Schmidt publik, der auch die Landeskaderuntersuchungen am Sportgymnasium durchführte. Der Schwimmverband hat mit den Eltern der Sportler gesprochen. Wie waren die Reaktionen? Grundtenor der Eltern war, dass sie mit der Betreuung durch Mark Schmidt zufrieden waren und immer das Gefühl hatten, er arbeite korrekt. Wenn es etwas zu verschreiben gab, habe er stets nachgeschaut, ob das Medikament auf der Nada-Liste steht. Da standen keine Vorwürfe im Raum. Seine Arbeit hier und die ans Licht gekommenen Machenschaften dort scheinen wie zwei Leben gewesen zu sein, die er voneinander getrennt hat. Auch für mich war das unvorstellbar, als das raus kam. Denn dem Mark Schmidt, den ich kannte, hatte ich das nicht zugetraut. Haben Sie später noch mal mit den Sportlern darüber geredet? Ja. Wir Trainer haben sie auch noch einmal auf ihre Pflichten hingewiesen. Wenn sie zum Arzt gehen, dort zu sagen, dass sie Leistungssportler sind. Na ja, und dann klopfte die Nada, die Nationale Anti-Doping-Agentur, gleich eine Woche später bei drei Sportlern an die Tür. Franz Ahnert haben sie an seinem 13. Geburtstag zur Kontrolle gebeten, nur weil er Bundeskader ist. In dem Alter ist das fragwürdig. Was werden Sie nach 20 Jahren im Job vermissen? Die direkte Arbeit am Beckenrand mit den Sportlern. Ich war mit Leib und Seele Trainer. Und meine Kollegen werde ich vermissen. Denn solche findet man nicht überall. Wir konnten uns immer aufeinander verlassen. Immer in die Augen schauen, auch wenn die Meinungen mal verschieden waren. Neid und Missgunst habe ich hier nie erlebt.
Cathrin Kreibich (51) war seit 1999 Landestrainerin. Im Juli hört sie auf.