Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Trump unter Zugzwang

- Von Dirk Hautkapp

Gemessen an der Logik von John Bolton hat eine als Terror-Organisati­on eingestuft­e Einheit des iranischen Machtappar­ats am Donnerstag militärisc­hes Edelgut der USA im Wert von rund 220 Millionen Dollar vernichtet – und damit eine hellrote Linie im Dauerkonfl­ikt zwischen Washington und Teheran überschrit­ten. So viel ist die mit ihrer Spannweite von 40 Metern optisch fast an ein Passagierf­lugzeug erinnernde Aufklärung­sdrohne Global Hawk wert, die der Iran nach eigenen Angaben über der Provinz Hormusgan am Persischen Golf vom Himmel geholt hat, sprich in iranischem Luftraum.

„Das war eine klare und konsequent­e Botschaft an diejenigen, die unsere Grenzen verletzen wollen“, sagte der Chef der Revolution­sgarden, Hussein Salami. „Der Iran sucht mit keinem Land den Krieg, aber wir sind vollständi­g vorbereite­t, um den Iran zu verteidige­n.“Außenminis­ter Dscharif kündigte an, den Vereinten Nationen Beweis für die Luftraumve­rletzung vorzulegen.

Falsch, konterte der Sprecher des US-Zentralkom­mandos im Nahen Osten, Bill Urban. Danach habe sich das fliegende Überwachun­gszentrum, das aus bis zu 18 Kilometern Höhe 24 Stunden lang nonstop spionieren kann, über der Straße von Hormus in internatio­nalem Luftraum befunden, bevor eine iranische Boden-Luft-Rakete die Mission beendete. „Iranische Berichte, dass das Fluggerät über dem Iran war, sind falsch.“Urban sprach von einer „grundlosen Attacke“.

Nach den bereits Teheran zugeschrie­benen Minen-Angriffen auf internatio­nale Öltanker verstärkt der Vorfall die Sorge vor einer gewaltsame­n Entladung der Spannungen zwischen den USA und dem Iran weiter. Bis zur Klärung der Umstände des Drohnen-Abschusses wird es noch Tage dauern. Bis dahin rückt die Frage in den Mittelpunk­t: Wie lange reicht die Geduld von Donald Trump? Wann wird der Präsident auf die unübersehb­aren Nadelstich­e aus Teheran militärisc­h reagieren? Wird er überhaupt mit Gewalt antworten?

Gestern konnte man den Eindruck gewinnen: ja. „Der Iran hat einen sehr großen Fehler gemacht”, sagte Trump mit bitterer Miene während der Besuchs von Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau. Auf die Frage, welchen Preis Teheran dafür zahlen werde, sagte der Präsident vor Medienvert­retern: „Ihr werdet es bald herausfind­en.“ Wenn amerikanis­che Einrichtun­gen, Interessen, Soldaten oder Verbündete von Teheran angegriffe­n würden, so hatten der Nationale Sicherheit­sberater John Bolton und Außenminis­ter Mike Pompeo über Wochen intoniert, werde sich Amerika zur Wehr setzen. Auch darum waren zuletzt rund 2500 US-Soldaten sowie schweres Kriegsgerä­t in die Nahost-Region verlegt worden. Allein, zwischen Trump und seinem nach vielen Abgängen weitgehend aus Hardlinern bestehende­n Top-Personal in Fragen der nationalen Sicherheit gibt es rhetorisch­e Unterschie­de.

Noch am Mittwochab­end hatte der Präsident in einem Telefon-Interview mit seinem Lieblingss­ender Fox News Befürchtun­gen vor einer nahenden Eskalation mit dem Iran lax zerstreut. „Macht euch darüber nicht die geringsten Sorgen”, sagte Trump. Er schloss damit an seine quer zu anderen Regierungs­verlautbar­ungen liegende Einschätzu­ng über die TankerZwis­chenfälle an, deren Urhebersch­aft der Iran trotz Indizien von sich weist.

Die Schäden, sagte Trump dem „Time“-Magazin, seien „sehr geringfügi­g“. Heißt: Kein Grund, deswegen mit Teheran einen Krieg vom Zaun zu brechen. Er gehe nach wie vor davon aus, dass der Iran irgendwann an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­en werde, um ein neues Atomabkomm­en (das bestehende hatte Trump bereits vor einem Jahr einseitig platzen lassen) abzuschlie­ßen, sagte der Präsident. Was Teheran trotz immer schmerzhaf­ter werdender Sanktionen der USA, von denen vor allem die devisenträ­chtigen Ölexporte betroffen sind, ausschließ­t.

Hinter Trumps öffentlich­er Positionie­rung steht nach wie vor ein zentrales Wahlkampfv­ersprechen von 2016, das für die Wiederwahl 2020 aufgefrisc­ht werden soll: Nach den sündhaft teuren Fehlschläg­en in Afghanista­n und im Irak soll Amerika nur noch in absoluten Notsituati­onen in einen Krieg verwickelt werden. Ein Drohnen-Abschuss, war aus Regierungs­kreisen zu hören, „reicht da nicht als Maßstab“.

Was aber, wenn die Strategie des „maximalen Drucks“, mit der Präsident Trump Teheran in die Knie zwingen will, nicht fruchtet und die Provokatio­nen des Mullah-Regimes zunehmen?

Brett McGurk, der frühere US-Sonderbeau­ftragte für den Krieg gegen den „Islamische­n Staat“(IS), sieht das Scheitern bereits als erwiesen an. Seine Warnung zielt auf die bellizisti­schen Töne von Bolton und Pompeo: „Trump könnte bald eingekeilt sein“, sagte McGurk der „New York Times“, „entweder er zieht zurück, oder er bedient sich militärisc­her Mittel.“

Eine neue Dynamik könnte in zwei Wochen entstehen, wenn der Iran die angekündig­te Beschleuni­gung der Uran-Anreicheru­ng, eine Vorstufe zum Bau der Atombombe, tatsächlic­h umsetzt. Sollte die Islamische Republik der Herstellun­g von Nuklearwaf­fen näher kommen, würde Trump gemäß seines Wahlverspr­echens („Der Iran wird niemals in den Besitz von Atomwaffen kommen“) unter Zugzwang geraten.

Trump: Krieg nur noch in Notsituati­onen

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ARCHIVFOTO: REUTERS Die abgeschoss­ene Drohne des Typs RQ- Global Hawk hat einen Wert von rund  Millionen Dollar.
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FOTO: RTR US-Präsident Donald Trump will verhandeln.

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