Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
EU-Regierungschefs zerstritten über Top-Jobs und Klimaschutz
Nachsitzen wegen Personalfragen und kein Beschluss zur Kohleverstromung: EU-Gipfel bringt magere Ergebnisse
Brüssel. Wenigstens Jean-Claude Juncker konnte dem ergebnislosen Personalpoker beim EU-Gipfel etwas Positives abgewinnen: „Ich sehe mit Vergnügen, dass es nicht leicht ist, mich zu ersetzen“, meinte der scheidende EU-Kommissionspräsident ironisch lächelnd gegen zwei Uhr in der Nacht, als der erste Gipfeltag in Brüssel nach über zehn Stunden geendet hatte. Wer Juncker im Herbst als „Mr. Europa“nachfolgen soll, ist weiter offen – nach heftigen Kontroversen vertagten sich die Regierungschefs auf einen Sondergipfel am 30. Juni. Beim Abendessen am Sonntag nächster Woche soll dann ein Personalpaket mit vier europäischen Top-Jobs (Kommission, Rat, Europäische Zentralbank, Außenbeauftragter) geschnürt werden.
Bei den Beratungen hatte Ratspräsident Donald Tusk zuvor eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Sondierungen gezogen: Weder im Rat noch im Parlament habe einer der drei Spitzenkandidaten – Manfred Weber (Christdemokraten), Margrethe Vestager (Liberale), Frans Timmermans (Sozialdemokraten) – eine Mehrheit, um in die Schlüsselposition des Kommissionspräsidenten gewählt zu werden, berichtete Tusk. Die Regierungschefs zeigten im Rat wenig Bewegung, sie sortieren sich weiter nach Parteifarben hinter den Kandidaten. Nach Tusks Rechnung fehlt selbst dem Favoriten, CSU-Vize Weber, aktuell ein Drittel der 28 Stimmen im Rat; Kritiker verweisen vor allem auf Webers fehlende Regierungserfahrung.
Webers EVP steht bislang geschlossen hinter ihm, Parteichef Joseph Daul schimpfte sogar wütend, die Ablehnungsfront gegen den CSU-Mann sei „ein Skandal“. Die Hoffnung führender Christdemokraten ist, dass Sozialdemokraten und Liberale doch noch einlenken und Weber unterstützen, um zu verhindern, dass das Parlament in der zentralen Personalfrage die Entscheidung praktisch den Regierungschefs überlässt. Doch wurden angesichts des selbst erzeugten Zeitdrucks, in neun Tagen eine Lösung zu präsentieren, am Rande des Gipfels auch schon personelle Alternativen für das Amt des Kommissionspräsidenten durchgespielt: Dazu zählen unter anderem der Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier aus Frankreich und die frühere EU-Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva aus Bulgarien.
Die Regierungschefs hatten vor der ergebnislosen Personalsuche bereits stundenlang über den Klimaschutz gestritten: Eine halbwegs verbindliche Festlegung, die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen, fand keine einstimmige Unterstützung und wurde in der Abschlusserklärung deshalb nicht mehr erwähnt. Polen, Ungarn, Tschechien und Estland, bei denen die Kohleverstromung eine große Rolle spielt, blockierten gemeinsam einen verbindlichen Gipfelbeschluss. Der Block der vier osteuropäischen Staaten pocht auf finanzielle Kompensation bei ehrgeizigen Klimamaßnahmen. Umweltverbände zeigten sich enttäuscht, Merkel aber meinte, das Ergebnis sei besser als von ihr erwartet: Schließlich gebe es eine breite Mehrheit für das neue Klimaziel.