Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Tragischer Ritter mit Riesenzinken
In Rudolstadt feiert Edmond de Rostands „Cyrano de Bergerac“als Sommertheater auf der Heidecksburg Premiere
Wieder einmal hat die Rudolstädter Theaterleitung mit der Wahl ihres Sommertheaterstücks – immer der Höhepunkt unter freiem Himmel und krönender Abschluss der Saison – ins Schwarze getroffen.
Und diesmal noch dazu mitten ins Herz des Publikums. Denn jene tragische Liebesgeschichte, die Edmond de Rostand 1897 für die Theaterbühne formte und nun von Herbert Olschok auf der Heidecksburg in Szene gesetzt wurde, hat wirklich alles, was ein gutes Theaterstück braucht: einen sympathischen Helden, große Gefühle, Tragik und Komik und eine selbstlose rührende Liebe.
Einer körperlichen Besonderheit wegen – seine Nase ist übermäßig groß – bleibt das Werben Cyrano de Bergeracs (herausragend: Markus Seidensticker) um die schöne Cousine Roxane (Laura Bettinger) unerhört. Denn diese liebt ihrerseits einen viel schöneren Mann. Jener Kadett Christian (Oliver Baesler) hat zwar den perfekten Körper, kann dafür aber weder gut reden noch schreiben. So leiht der großherzige Titelheld, dessen Degen und scharfe Worte gefürchtet sind, diesem perfekten Körper Christians den eigenen perfekten Geist. Cyrano zu Christian im 2. Akt Diese Verbindung ist natürlich praktisch, für den Zuschauer komisch und muss – man ahnt es – tragisch enden.
Roxane indes muss sich gegen die Zudringlichkeiten des Grafen de Guiche (herrlich Johannes Arpe) zur Wehr setzen. Als Cyrano der Begierde des Grafen einen Strich durch die Rechnung macht und sogar Roxanes Hochzeit mit Christian unterstützt, versetzt der Graf Cyrano und Christian samt der Kadetten Le Bret (Rayk Gaida) und Lignière (Marcus Ostberg) an die Front, wodurch das gefährliche Spiel mit den Gefühlen dreier Menschen eine neue Richtung einschlägt.
Doch selbst als Christian fällt, bringt es Cyrano 14 Jahre lang nicht übers Herz, Roxane, der Liebe seines Lebens, zu beichten, wer sie so wortgewandt bedichtet und belogen hat. Erst im Angesicht des Todes, als alle Kämpfe geschlagen und alle Lügen aufgeflogen sind, kommt schließlich die Wahrheit ans Licht und macht alle Beteiligten zu Betrügern und Betrogenen zugleich.
Eine herzergreifende Inszenierung, die Regisseur Herbert Olschok mit Rostands strenger Versform auch in seinem Zeitgeist belässt. Dennoch wird in den reizvollen Wort-Gefechten, die jenen mit den Degen in nichts nachstehen, sogar gerappt. Eine großartige Einlage!
In zweieinhalb Stunden bringt Olschok diese Mantel-und-Degen-Romanze dennoch kurzweilig auf die Bühne. Und mittendrin in dem engagierten Rudolstädter Schauspielensemble ein überragender Markus Seidensticker, der seinen Textberg mühelos erklimmt und seiner Hauptfigur, dem Ritter mit dem Riesenzinken, alle Sympathien einspielt. Er ist zerrissen zwischen seinen Gefühlen als Liebender, Verzichtender und Freund, droht zu explodieren in Lust und Qual, in stummer Beredsamkeit und beredtem Schweigen. Und der Zuschauer leidet mit ihm. Kostümiert als Kadett des 17. Jahrhunderts mit Pluderbluse, Lederhose, Langstiefeln und Degen fegt der Teufelskerl, der es locker mit 100 Gegnern aufnimmt, über die Bühne. Teresa Monfared hat mit ihrer üppigen Ausstattung dem Publikum also auch noch ein Fest für die Sinne beschert. Sabine Pommerening schuf dafür eine schlichte, funktionale Kulisse, die diesem besonderen Ort auf der Burgterrasse der Heidecksburg gerecht wird. Langer Applaus am Premierenabend für ein wundervolles Sommertheater.
„Für einen Dichter eine lockende Erfahrung! Ergänzt du mich, ergänz’ ich dich in dieser Paarung! Wir geh’n – im Lichte du, im Schatten ich – zu zwei’n; und ich werde dein Geist, du wirst mein Körper sein.“