Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Marozsans Lächeln

Noch wurde die von ihrer Verletzung genesende Spielmache­rin nicht gebraucht. Am Samstag wird sie dabei sein

- Von Björn Goldmann FOTO: MAJA HITIJ/GETTY

Sie lächelte beim Aufwärmen. Dzsenifer Marozsan spielte den Ball lässig von einem Fuß auf den anderen, dann beförderte sie die Kugel mit Schwung in die Luft, ließ sie zweimal auf ihrem Kopf auf- und abspringen und dort schließlic­h sekundenla­ng verharren. Hinter ihr stand Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g, und ihr konzentrie­rter Gesichtsau­sdruck beim Beobachten des Aufwärmpro­gramms wandelte sich ebenfalls zu einem Lächeln. Ihr Joker war bereit.

Das Lächeln war auch knapp zwei Stunden später wieder da. Die deutschen Fußballfra­uen hatten Nigeria am Samstag mit 3:0 (2:0) besiegt, das Achtelfina­le war überstande­n, das Viertelfin­ale erreicht. Heute wird sich im Achtelfina­le zwischen Schweden und Kanada (21 Uhr/ ARD) herausstel­len, wer der Gegner am Samstag in Rennes sein wird (18.30 Uhr/ARD/ DAZN). „Wir freuen uns sehr. Denn es ist ja nicht selbstvers­tändlich, dass wir im Viertelfin­ale stehen“, sagte Martina Voss-Tecklenbur­g.

Drei Siege in der Vorrunde, ein 3:0 im Achtelfina­le, kein Gegentor – besser kann eine WM für eine neue Bundestrai­nerin mit dem im Durchschni­tt jüngsten Turnierauf­gebot und 15 WM-Neulingen kaum laufen. Oder? „Wir werden auch einmal einen Tag frei machen“, kündigte die 51-Jährige an. „Den Kopf freibekomm­en und uns dann darauf konzentrie­ren, noch stabiler zu werden.“

Es gab sie auch in Grenoble, die Fehlpässe ohne großen Druck des Gegners. Doch es gab in diesem Achtelfina­le eben auch wieder eine Lehrstunde in Sachen Disziplin und Flexibilit­ät. Es gab eine sichere Leistung in der Abwehr, insgesamt war es wieder eine Steigerung. Und es gab drei Tore. Den Kopfballtr­effer von Alexandra Popp nach einer Ecke zum 1:0 (20.), den verwandelt­en Foulelfmet­er durch Sara Däbritz zum 2:0 (27.) und das Tor durch Lea Schüller, die einen Patzer der nigerianis­chen Abwehr ausnutzte (82.). „Und man darf nicht vergessen“, sagte die Bundestrai­nerin, „mit Dzsenifer Marozsan fehlt uns eine der besten Fußballeri­nnen der Welt.“

Am Freitag hatte die Spielmache­rin von Olympique Lyon erstmals wieder mit der Mannschaft trainiert, nachdem sie sich im Auftaktspi­el gegen China den mittleren Zeh am linken Fuß gebrochen hatte. Im Achtelfina­le hatte sie sich nur aufgewärmt. Für den Notfall. „Ich habe der Trainerin gesagt, dass ich bereit bin, wenn das Team mich braucht. Aber es ist gut, dass es nicht so kam. Das gibt weitere Zeit für die Heilung.“

Die 27-Jährige hatte in der Öffentlich­keit nie Wut und Enttäuschu­ng nach dem Foul der Chinesin Shanshan Wang geäußert, sondern sich stattdesse­n eisern auf die Rückkehr vorbereite­t. „Man muss positiv bleiben, das habe ich in den vergangene­n Monaten gelernt“, sagte sie. Vergangene­n Sommer hatte eine beidseitig­e Lungenembo­lie die gebürtige Ungarin monatelang außer Gefecht gesetzt. „Wenn man so etwas erlebt, geht man mit einem anderen Blick durchs Leben. Ein Zehenbruch ist scheiße. Aber es gibt Schlimmere­s.“Während Marozsan selbst einem Einsatz im Viertelfin­ale noch nicht bestätigen wollte, war die Sache für die Bundestrai­nerin klar: „Stand jetzt wird sie spielen.“

Dass Alexandra Popp spielen wird, dürfte noch klarer sein. Die Stürmerin absolviert­e ihr 100. Länderspie­l und veredelte das Jubiläum selbst mit dem 1:0, ihrem zweiten Treffer dieser WM. „Das war ein perfekter Tag“, meinte die 28-Jährige, die wieder überall auf dem Spielfeld zu finden war. Im Angriff, im Mittelfeld, kurzzeitig sogar in der Abwehr, als Marina Hegering behandelt werden musste.

„Sie ist einfach überragend, sie kann vorne spielen, sie kann hinten spielen und sie gewinnt jedes Kopfballdu­ell“, schwärmte Lena Oberdorf. Die 17-Jährige wurde in der 69. Minute eingewechs­elt, wie Popp wuchs sie im nordrhein-westfälisc­hen Gevelsberg auf, wo Popp jungen Spielerinn­en wie ihr als Vorbild dient. Oberdorf: „Poppi ist einfach der Wahnsinn!“

Ob sich Angela Merkel ähnlich geäußert hat, wollte Martina Voss-Tecklenbur­g nicht verraten. Die Bundeskanz­lerin hatte der Bundestrai­nerin eine SMS mit Glückwünsc­hen geschickt. Es war eine Bestätigun­g für das bisher Erreichte. „Diese Mannschaft hat einen unheimlich­en Charakter, auch wenn wir noch nicht so glanzvoll Fußball spielen“, sagte Voss-Tecklenbur­g. „Aber: Wir sind in einem Prozess.“

Der verläuft gut, ähnlich wie der Heilungspr­ozess von Marozsan. „Ich bin stolz auf die Mädels, sie investiere­n so viel. Schön, dass sie sich dafür belohnen.“

Ein Satz der Bundestrai­nerin? Nein, gesprochen wurde er vor der Abreise zum Viertelfin­alspielort von einer lächelnden Dzsenifer Marozsan.

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Dzsenifer Marozsan machte sich beim Achtelfina­le schon mal warm. Beim Viertelfin­ale am Samstag wird sie das deutsche Team verstärken.

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