Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Was bleibt von einer Covid-19-erkrankung?
Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, hat mitunter noch Wochen danach mit Symptomen zu kämpfen
Am Anfang, in den ersten Monaten des Jahres, ging es darum, irgendwie durch die Pandemie zu kommen. Und den Menschen, die es nach einer Infektion mit Sarscov-2 schwer getroffen hatte, so gut es ging, beim Überleben zu helfen. Heute, ein halbes Jahr und mehr als eine halbe Million Tote später, verstehen Ärzte und Wissenschaftler deutlich besser, was das Virus im Körper anrichtet. Etwa, dass es weit mehr Organe infizieren und schädigen kann als die Lunge. Und sie mussten lernen, dass ein negativer Corona-test nicht das Ende der Krankheitsgeschichte sein muss. Nun steht die Forschung vor der Frage: Was bleibt nach einer Covid19-erkrankung?
Endgültige Antworten kann es noch nicht geben, die Geschichte der Krankheit ist noch jung. Doch es gibt erste Berichte. Etwa darüber, dass Menschen noch Wochen nach einer überstandenen Infektion mit Kurzatmigkeit zu kämpfen haben und nicht einmal den Weg zum Supermarkt schaffen. Oder darüber, dass sich das Herz durch die Erkrankung verändern kann.
Es seien zum jetzigen Zeitpunkt vor allem Vermutungen, die man zu Spätfolgen anstellen könne, sagt Andreas Zeiher, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und Direktor der Kardiologie an der Uniklinik Frankfurt am Main. Deswegen wollen er und sein Team ehemalige Patienten untersuchen. „Drei und sechs Monate nach dem Abklingen der Infektion“, sagt
Zeiher. Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen. Die Mediziner wollen wissen: Wie haben sich Herzstruktur und -funktion entwickelt? Erste Hinweise darauf, dass sich die Struktur verändert, gebe es bereits, sagt Zeiher. „Bei einigen Betroffenen hat man nach zwei bis drei Monaten eine Vermehrung des Bindegewebes im Herzen beobachtet.“In der Folge wird das Herz steifer, weniger elastisch. „Und das kann zu einer Herzschwäche führen“, so der
Kardiologe. Ein geschwächtes Herz wiederum kann dazu führen, dass Betroffene schlechter Luft bekommen – eine oft beschriebene Spätfolge einer Covid-19-erkrankung.
Diese Kurzatmigkeit kann auch andere Ursachen haben, meint Stephan Eisenmann vom Universitätsklinikum Halle (Saale). Denn das Virus kann auch schwere Entzündungen in der Innenschicht der Gefäße auslösen. „Von dieser Entzündung bleiben möglicherweise Restschäden
wie etwa eine Vernarbung der Blutgefäße“, so Eisenmann, der die Pneumologie der Uniklinik und die Poliklinik für Innere Medizin leitet. Durch die Vernarbung würden die Gefäße enger, das Blut fließe schlechter, der Sauerstoffaustausch funktioniere nicht mehr so gut. „In der Folge haben die Menschen Atemnot.“Das würde erklären, warum bei vielen von Atemnot Betroffenen selbst in bildgebenden Verfahren keine Auffälligkeiten an der Lunge entdeckt werden. Denn: „Das Lungengewebe ist nicht verändert, sondern möglicherweise die Gefäße.“Und die seien auf einer gewöhnlichen Aufnahme eines Computertomografen nicht zu erkennen. Wie lange diese Veränderung anhalte? „Man weiß es nicht.“
Neben Problemen mit Herz und Lunge beobachten Mediziner neurologische Spätfolgen wie Verwirrtheit oder eine falsche Wahrnehmung. „Das kann zum Beispiel durch den Zytokinsturm ausgelöst werden“, sagt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Bei einem solchen Sturm handelt es sich um die gefährliche Überreaktion des Immunsystems auf die Infektion. „Diese Immunantwort zieht auch das Gehirn in Mitleidenschaft“, so Berlit. Auch der lange Aufenthalt auf der Intensivstation könne eine Ursache sein, sagt Eisenmann. „Wir beobachten bei einigen Patienten nach Stunden oder Tagen eine schwere Schädigung der Nervenund Muskelfunktion“, stellt der Pneumologe fest. Das sei aber unabhängig von der Grunderkrankung.
Aus Reha-einrichtungen wisse man außerdem, sagt Berlit, dass Betroffene kognitive Einschränkungen wie Konzentrationsprobleme zurückbehalten können. Berichte darüber gibt es auch aus den USA. Dr. Zijan Chen behandelt am Mount Sinai Health System in New York ehemalige Covid-19-patienten. Er sagte der „New York Times“, es kämen Patienten, die sagen: Ich bin wieder gesund, ich habe keine Atemprobleme, ich habe keine
Schmerzen in der Brust. Aber ich kann nicht zurück zur Arbeit, weil ich mich nicht konzentrieren kann.
Ob das Virus direkt das Hirn infizieren und dadurch eine Entzündung mit Folgeschäden auslösen kann, sei eine ungeklärte Frage, sagt Berlit. Es gebe einen Fall aus Japan, der darauf hindeute. „Man konnte bei diesem Patienten, der auch unter epileptischen Anfällen litt, das Virus im Nervenwasser nachweisen.“Das Virus könnte sich über die Riechfäden einen Weg ins Gehirn gesucht haben. Über jene Fäden also, die auch beim Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn eine Rolle spielen, von dem die Mehrheit der Infizierten berichtet.
Die Hälfte leidet unter Schlafstörungen
Neben körperlichen Folgen, die eine Infektion mit Sars-cov-2 nach sich zieht, kann Covid-19 auch Spuren in der Psyche hinterlassen. Eisenmann erzählt, in Wuhan habe man mehrere Hundert Genesene zur Nachkontrolle geladen. „Ein Großteil dieser Menschen lebte mit der Angst, noch einmal zu erkranken oder sozial stigmatisiert zu sein. Bis zu 50 Prozent von ihnen litten unter Schlafstörungen“, berichtet der Pneumologe.
Dr. Lauren Ferrante von der Yale School of Medicine sagte der „New York Times“: „Es ist normal, dass Patienten posttraumatische Belastungsstörungen haben, wenn sie das durchgemacht haben – Albträume, Depressionen, Angst. Weil sie sich erinnern, was passiert ist.“