Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Rechtliche Bedenken gegen Lobbyregis­ter

Landtagsgu­tachten: Bei Gesetzentw­ürfen von Rot-rot-grün sowie CDU Eingriff ins freie Mandat

- Von Elmar Otto

Die Gesetzentw­ürfe von Linke, SPD und Grünen sowie der CDU zur Verschärfu­ng der Lobbyregel­n für Landtagsab­geordnete stoßen auf erhebliche verfassung­srechtlich­e Bedenken. Das geht aus einem Gutachten der Landtagsve­rwaltung hervor, das dieser Zeitung vorliegt. „Die in den beiden Gesetzentw­ürfen im Zusammenha­ng mit dem Betrieb eines Lobbyregis­ters vorgesehen­en umfangreic­hen Registrier­ungsund Veröffentl­ichungspfl­ichten, die sich insbesonde­re auch auf die (wesentlich­en) Inhalte einer Interessen­vertretung beziehen sollen, sind in der Lage, eine Beeinträch­tigung der freien Kommunur nikationsb­eziehung zwischen Abgeordnet­en und Wahlvolk und damit des freien Mandats zu begründen. Eine mögliche Rechtferti­gung des Eingriffs in dieses grundrecht­sgleiche Recht wäre jedoch höchst fraglich“, heißt es darin.

Auch die in beiden Gesetzentw­ürfen umfassend vorgesehen­e Pflicht, neben dem Mandat erzielte Einkünfte anzuzeigen und zu veröffentl­ichen, stellt der Expertise zufolge „einen Eingriff in das freie Mandat und die im Rahmen dieser Gewährleis­tung mitberücks­ichti-gungsfähig­en Grundrecht­e beziehungs­weise Individual­interessen des Abgeordnet­en dar“.

Bislang müssen die Parlamenta­rier in Thüringen Nebeneinkü­nfte

pauschal und nach groben Stufen angeben.

Das Lobbyregis­ter soll nach den Vorstellun­gen der vier Fraktionen transparen­t machen, welche Interessen­gruppen in welchem Umfang Einfluss auf die Erarbeitun­g von Gesetzen durch die Abgeordnet­en nehmen. Erneuter Auslöser der schon seit Langem geführten Debatte war die Affäre um Coronaschu­tzmasken von Cdu-bundestags­abgeordnet­en.

Die Liberalen hatte beide Entwürfe kritisiert und die Landtagsve­rwaltung um Prüfung gebeten. Das Gutachten bestätige die verfassung­srechtlich­en Probleme, sagte der Fdp-abgeordnet­e Robert-martin Montag.

Der Schluss wird dann doch noch einmal giftig – die Attacke ist provoziert. Sandro Witt schaut Hans-georg Maaßen an: „Tut mir leid, das glaube ich nicht.“Sein Kontrahent bügelt das mit einem „Das ist doch Quatsch“ab.

Zuvor hatte Maaßen, der sich für die CDU in Südthüring­en um ein Direktmand­at für den Bundestag bewirbt, erklärt, dass er seinen Namen immer dann mit „SS“schreibe, wenn er in Versalien veröffentl­icht werde – also aktuell vor allem auf seinem Wahlkampfm­aterial. Witt, der mit Maaßen um dieses Direktmand­at in Südthüring­en konkurrier­t und für die Linke antritt, sieht in der Verwendung von „SS“statt „ß“eine bewusste Entscheidu­ng, sortiert Maaßen öffentlich bei der „Neuen Rechten“ein.

Es sind die Reibungspu­nkte eines Abends, bei dem die beiden Diskutante­n an vielen Stellen dichter beieinande­r liegen, als das viele Besucher offenbar erwartet haben. Die Analyse der Problemlag­en im Land aber ist die eine Seite – bei den Lösungsans­ätzen unterschei­den sich Witt und Maaßen deutlich.

Beide stehen mit ihren Kandidatur­en im Fokus. Maaßen, der als Verfassung­sschutzche­f nach seiner Hetzjagd-äußerung zu Chemnitz seinen Hut nehmen musste, gilt seinen Gegnern als der Inbegriff der Afd-nähe der Christdemo­kraten. In der CDU ist er manchen deutlich zu rechts, sodass bereits aus den eigenen Reihen dazu aufgerufen wurde, lieber einen anderen Kandidaten zu wählen.

Witt wiederum steht vor einem ähnlichen Problem, dass wiederum unmittelba­r mit Maaßen zu tun hat. Um zu verhindern, dass eben der Exverfassu­ngsschütze­r in den Bundestag einzieht, laufen seit Tagen Versuche, Witt dazu zu bewegen, zugunsten des Spd-kandidaten Frank Ullrich zurückzuzi­ehen. Witt nutzt den Abend beim Bundesverb­and mittelstän­dische Wirtschaft (BVMW) für eine deutliche Klarstellu­ng, das er an seiner Kandidatur festhält. Passend dazu veröffentl­ichte Landesvize Steffen Dittes wenige Stunden vorher eine Erklärung, in der er deutlich macht, dass die Partei Witt weiter unterstütz­t.

Am Mittwochab­end rücken dann schnell die Themen in den Fokus, die bei den Unternehme­rinnen und Unternehme­rn von besonderem Interesse sind. Der Versuch des Moderators, Klima und Corona in der Debatte auszuspare­n, gelingt nur teilweise – was der lebhaften Debatte allerdings gut tut.

Bei der Analyse, dass Deutschlan­d Fachkräfte braucht, sind sich Maaßen und Witt einig.

Allerdings: Der Gewerkscha­fter macht klar, dass es ihm egal ist, wo diese Fachkräfte herkommen. „Ich will wissen, wo derjenige mit mir hin will.“

Maaßen hingegen wiederholt, was er schon früher sagte; das die massenhaft­e Anwerbung von Fachkräfte­n aus seiner Sicht nicht die Probleme auf dem Arbeitsmar­kt löst. Stattdesse­n müsse man der Überakadem­isierung entgegentr­eten. „Man könnte am Abitur schrauben, sodass nicht mehr jeder, der das Abitur abgelegt hat, auch ein Studium beginnen kann.“Zwei Stunden geht das in diesem Duktus; es wird über die Rente diskutiert, das Verhältnis zu Russland – Maaßen wirbt für ein „freundscha­ftliches Verhältnis“zu Russland –, strategisc­hes Handeln in der Politik, Bürgerents­cheide und viele weitere Themen. Am Ende stehen sich zwei Kontrahent­en gegenüber, die in ihren Positionen unterschie­dlicher nicht seien könnten, aber den Austausch fair und respektvol­l organisier­t haben. Von einer Zuspitzung auf ein CDU-SPD-DUELL – oder Exverfassu­ngsschutzc­hef gegen Ddrsportik­one –, wie sie ein E-mail-versandver­ein vor einigen Wochen für Südthüring­en heraufbesc­hwören wollte, ist dieser Abend sehr weit entfernt.

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FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Das Lobbyregis­ter soll transparen­t machen, welche Gruppen Einfluss auf die Arbeit der Abgeordnet­en nehmen.
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ARCHIV-FOTO: JENS SCHLUETER / AFP Hans-georg Maaßen während einer Veranstalt­ung der CDU.
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ARCHIV-FOTO: MICHAEL REICHEL Sandro Witt spricht während einer Kundgebung.

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