Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Endspurt im Wahlkampf
Olaf Scholz unterbricht seine Wahlkampftour und stellt sich der Kritik an seiner Geldwäschebekämpfung
Wenige Tage vor der Bundestagswahl haben SPD und CDU Siegesgewissheit demonstriert. Die Grünen kündigten an, ihre Umfragewerte übertreffen zu wollen. Aus dem letzten Tv-triell vor der Wahl am Sonntagabend war der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, in einer Umfrage unter Zuschauern erneut als Sieger hervorgegangen.
Auf diesen Termin hätte Olaf Scholz gern verzichtet. Gute Umfrageergebnisse für die Sozialdemokraten, erneut Zuschauersieger beim Tv-triell mit Armin Laschet und Annalena Baerbock am Sonntagabend: Der Spd-kanzlerkandidat und Finanzminister wäre am liebsten mit diesem Rückenwind der Bundestagswahl entgegengesegelt. Doch am Montag war Scholz auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. In einer Sondersitzung des Bundestagsfinanzausschusses musste er Anschuldigungen abwehren, dass sein Ministerium bei der Ermittlung gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung geschlampt habe.
Derlei Auftritte sind Gift im Wahlkampf. Dem Teflon-kandidaten Scholz, an dem bisher alle Kritik und Zweifel abgeperlt sind, könnte es auf den letzten Metern Imagekratzer verpassen. Um zu vermeiden, dass etwas hängen bleibt, hatte Scholz kurzfristig Wahlkampftermine in Baden-württemberg abgesagt
„Deutschland ist weiterhin Geldwäschesumpf.“Lisa Paus, Finanzpolitikerin der Grünen
und war persönlich im Bundestag erschienen. Taktisch geschickt: Während sich Union und Opposition vorne über die erwartete Abwesenheit des Spd-kanzlerkandidaten echauffierten, huschte Scholz durch den hinteren Eingang in den Saal. Der Minister wählte die Vorwärtsverteidigung – und nahm so seinen Kritikern ein Stück weit den Wind aus den Segeln.
Rund 30 Minuten lang erklärte Scholz die erreichten Reformen bei der Anti-geldwäsche-einheit FIU (Financial Intelligence Unit). Dabei handelt es sich um eine Behörde des Zolls in Köln, die Scholz’ Finanzministerium zugeordnet ist. Dann beantwortete er Fragen aller Fraktionen, reihum, wie ein Zeuge im Untersuchungsausschuss. Scholz’ Verteidigungslinie war klar abgezirkelt. Die FIU sei personell deutlich aufgestockt worden und habe eine moderne It-infrastruktur bekommen. Das Meldevolumen der Behörde habe sich verdreifacht. Und er rechne damit, dass es sich „in kürzester Zeit eher noch einmal verdoppeln“werde. Im Ausschuss traf Scholz auch mit FIU-CHEF Christof Schulte zusammen – es war die erste persönliche Begegnung in seiner Zeit als Minister.
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet reichten Scholz’ Ausführungen nicht: „Was wir bisher an Stellungnahmen gehört haben, hat nicht die Dimension aufgeklärt, die man aufklären muss.“Der Cdu-politiker warf seinem Kontrahenten „mangelnde Aufsicht“über die Geldwäschebekämpfung vor. Es sei „jedem klar“, dass Deutschland hier „nicht optimal aufgestellt“sei.
Wesentlich bissiger war die Kritik von der FDP. „Uns liegen zahlreiche Hinweise vor, dass das Haus von Finanzminister Scholz sich einer Aufarbeitung der Geldwäschemissstände bewusst verweigert und stattdessen versucht hat, die Fehler zu vertuschen und auszusitzen“, polterte der Fdp-finanzexperte Markus
Herbrand. „Im Ergebnis werden die Verantwortlichkeiten für die Fehler bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung weiter verschleiert“, so Herbrand gegenüber unserer Redaktion.
Die Grünen-finanzpolitikerin Lisa Paus kreidete Scholz an, die Sitzung zur Selbstdarstellung genutzt zu haben. „Das Chaos bei der FIU wurde nicht abgestellt, und Deutschland ist weiterhin Geldwäschesumpf. Die politische Verantwortung dafür trägt Olaf Scholz“, wetterte Paus. Zurückhaltender gab sich die Linkspartei. Es gebe zwar „offene Fragen“, aber „keinen Anlass für alberne Wahlkampfspektakel“, schrieb der Linke-politiker Stefan Liebich auf Twitter. Rot-grüne-rote Koalitionsgedankenspiele mögen der Grund für die Samthandschuh-schelte gewesen sein. Dabei ist die politische Dimension der Vorwürfe gegen Scholz gewaltig. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland pro Jahr etwa 100 Milliarden Euro aus illegalen Geschäften gewaschen werden.
In der Causa FIU brachte eine spektakuläre Aktion am 9. September den Stein ins Rollen. Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Osnabrück durchsuchten 17 Tage vor der Bundestagswahl das Finanz- und das Justizministerium. Hintergrund waren Ermittlungen gegen Beschäftigte der FIU. Diese sollen Hinweise auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an Justiz und Polizei weitergeleitet haben.
Die FIU leitete nur 17 Prozent der Meldungen weiter
Die Beschwerden gegen die FIU haben jedoch eine längere Geschichte. Im Frühjahr 2020 schickten die Justizministerien von Nordrheinwestfalen, Niedersachsen und Bayern Brandbriefe an die Bundesregierung. Dabei übten sie scharfe Kritik an der FIU. Die Behörde arbeite noch immer viel zu langsam, hieß es. Sie gebe Hinweise auf Straftaten nicht weiter. Fakt ist: Die FIU leitete 2020 von 144.000 Verdachtsmeldungen der Banken nur 17 Prozent den zuständigen Behörden zu. Die Anti-geldwäsche-einheit sieht ihren Auftrag damit erfüllt. Das Finanzministerium hatte diese Linie als „risikobasierten Ansatz“vorgegeben – der Fokus sollte auf den wirklich gefährlichen Fällen liegen. Aber was macht einen Vorgang zum tatsächlichen Risiko?
Am Montagnachmittag war Scholz wieder auf Wahlkampftermin im baden-württembergischen Esslingen. Neue Bilder, neue Botschaften – und den Urnengang am 26. September fest im Blick, so sein Kalkül. Der politische Schaden nach der Sitzung im Finanzausschuss dürfte sich in Grenzen halten – vorerst. Bei den Osnabrücker Ermittlungen ist jedenfalls nicht mit einem schnellen Ergebnis zu rechnen. Sie würden „noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.