Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Stützpunktfeuerwehr Zeulenroda probt Horror-crash-szenario
Gut 130 Einsatzkräfte stellen Ernstfall nach
Im Grau des Morgens ist die Bundesstraße 94 hinauf aus der Ferne das Blaulicht sichtbar. Ein Feuerwehrmann steht an der Abzweigung zur Kreisstraße Richtung Niederböhmersdorf. Er hat die Straße abgesperrt. Hinter der Absperrung und der ersten Kurve wird das ganze Ausmaß des Einsatzes deutlich. Mehr als ein Dutzend Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge stehen entlang der Strecke aufreiht.
In einem provisorischen Zelt liegen Menschen mit blutverschmierter Kleidung. Meist Jugendliche. Sanitäter rennen zwischen Einsatzwagen und Zelt hin und her. Ein Mitglied der Feuerwehr Hohenleuben steuert eine Drohne über das Gebiet. „Die Lage ist unübersichtlich. Es könnten auch im Feld noch Verletzte liegen“, sagt er und zeigt auf die etwa zwei Meter hohen Maispflanzen am Straßenrand. Gut zwanzig Meter weiter die Straße runter offenbart sich der Unfallhergang. Ein Linienbus und ein Pkw sind frontal zusammengestoßen.
Auf realistische Darstellung Wert gelegt
Das Szenario ist nur eine Übung. Ein sogenannter Massenanfall von Verletzten wie es im Feuerwehrjargon heißt. Einsatzkräfte der Wehren aus Zeulenroda, Langenwolschendorf, Triebes und Niederböhmersdorf sind vor Ort. Auch die Rettungsdienste der Schnell-einsatzgruppe (SEG), des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Zeulenroda und des Sanitäts- und Betreuungszuges des Landkreises Greiz sind an der Übung beteiligt.
Laut Konzeptpapier der Stützpunktfeuerwehr Zeulenroda dient so eine Einsatzübung der Vorbereitung auf echte Einsatzszenarien. Alarmierung, Anfahrt zur Einsatzstelle, Einsatzsituation und Einsatzumgebung sollen so real wie möglich wirken. Dazu zählt auch die glaubwürdige Darstellung der Verletzungen der Opfer. Brüche, Wunden und abgetrennte Gliedmaßen werden geschminkt. „Von der Personenverkehrsgesellchaft Greiz haben wir einen alten Linienbus erhalten. Das hilft uns sehr“, sagt Wehrleiter Christian Komorowski.
An der Unfallstelle öffnet Marcus Winkler von der Feuerwehr Triebes mit einem hydraulischen Spreizer die Türen des zerstörten Alfa Romeo.
Der Fuß des Fahrers ist unter dem Gaspedal eingeklemmt. Er hat eine offene Beinfraktur und eine große Platzwunde. Auch der Beifahrer ist verletzt und nur bedingt ansprechbar. Auf der Rückbank liegt ein kleiner Junge, der durch den Aufprall aus dem Bus geschleudert wurde und weint. „Ich war noch nie in so einem Einsatz und hoffe es auch nicht. Aber es kann passieren“, sagt Winkler. Während die Feuerwehrleute versuchen, die Personen freizubekommen, versorgt der Notarzt die Wunden.
Masse an Verletzten als Herausforderung
Im Jahr 2020 ereigneten sich im Freistaat Thüringen 5161 Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Davon wurden 83 Personen getötet, 1489 Personen schwer verletzt und 5010 Personen leicht verletzt. Im Landkreis Greiz verunglückten im vergangenen Jahr 272 Personen.
Michael Winter vom DRK Zeulenroda ist an diesem Tag der Organisatorische Leiter Rettungsdienst. Er koordiniert die Abläufe der Rettungssanitäter und Notärzte. Für ihn sind schwere Verwundungen bei Verkehrsunfällen Alltag. „So viele verletzte Personen auf einmal hatte ich aber noch nicht“, sagt er.
Laut Übungsszenario sind zwei Pkw-insassen, 18 Kinder und Jugendliche im Linienbus und Unfallbeteiligte,
die aus dem Bus geschleudert worden, vom Unfall betroffen.
Fazit: Wertvolle Erfahrung mit Luft nach oben
Für die Rettungssanitäter geht es nach der Sichtung der Personen darum, den Schweregrad der Verletzung festzustellen, um die Reihenfolge der Behandlung festzulegen. Die schweren Fälle werden zuerst behandelt. Mit den Farben Rot, Gelb und Grün wird der Status markiert. Hohe Priorität hat die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr.
Sie sind meist zuerst vor Ort und helfen, die Verletzten ohne Schaden frei zu bekommen. Nach gut anderthalb Stunden ist die Übung beendet. Welches Fazit ziehen die Beteiligten? „So eine große Übung ist für viele Kollegen neu. Die Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst hätte manchmal besser funktionieren können“, sagt Stadtbrandmeister Steffen Jubold. Aber man sei froh, sie zu haben, da man ohne die Expertise in so einer Lage aufgeschmissen sei.
Auch Michael Winter vom DRK sieht „Luft nach oben“. Beim DRK waren viele Azubis bei der Übung dabei. „Unterm Strich war es in Ordnung“, sagt er.
Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Realitätsnähe für alle rund 135 Teilnehmer eine Bereicherung darstellt.