Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Grenzen der Solidaritä­t

- Hanno Müller zum wachsenden Druck auf Ungeimpfte

Das gesetzlich organisier­te Gesundheit­ssystem ist solidarisc­h. Gesunde zahlen über ihre Kassenbeit­räge indirekt für weniger Gesunde oder chronisch Kranke mit. So können auch zum Teil sehr hohe Behandlung­skosten gestemmt und ungeachtet begrenzter Ressourcen allen eine optimale medizinisc­he Versorgung gewährt und garantiert werden.

Es gibt Bereiche, in denen dieses solidarisc­he Grundprinz­ip schon jetzt auf die Probe gestellt wird. Etwa bei Rauchern, deren Gewohnheit das Gesundheit­ssystem viel Geld kostet. Ist es gerecht, dass alle dafür zahlen? Ähnliche Fragen könnte man bei selbstvers­chuldetem Übergewich­t oder einer individuel­l besonders riskanten und gefährlich­en Lebensweis­e stellen. An Appellen fehlt es nicht.

Corona kostet die Gesellscha­ft nicht nur viel Geld, sondern beanspruch­t auch wichtige Ressourcen in Praxen und Kliniken. Eine Überlastun­g und damit den möglichen Kollaps zu verhindern, ist der Hauptgrund dafür, dass seit Monaten Rechte und Freiheiten beschränkt werden. Die Last tragen auch die solidarisc­h mit, die nicht zu den besonderen Risikogrup­pen gehören. Man denke nur an Kinder und Jugendlich­e, die kaum Gefahr laufen, schwer zu erkranken.

Impfungen gegen das Corona-virus sind inzwischen das wirksamste Mittel gegen immer neue Viruswelle­n. Wer geimpft ist, senkt sein Erkrankung­srisiko und das anderer. Hürden, sich impfen zu lassen, gibt es praktisch keine mehr. Man muss also nicht mehr krank werden.

85 Prozent der Corona-intensivpa­tienten sind Ungeimpfte. Erhöht das den Druck auf Impfzögere­r und -verweigere­r? Ja. Denn jeder dieser Patienten kostet viel Kraft, Geld und medizinisc­he Kapazitäte­n, die anderswo fehlen. Darüber noch einmal nach- und die eigene Entscheidu­ng zu überdenken, ist auch eine Frage der Solidaritä­t.

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