Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Lockdown droht indirekt
Zwei Juristen, drei Meinungen – der landläufige Spruch könnte Anwendung finden, hält man sich die unterschiedlichen Bewertungen der „2G“-regel im Einzelhandel vor Augen. Während das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen die Regelung vor Weihnachten gekippt hat, bestätigte das Thüringer OVG nun, dass sie hierzulande rechtens ist.
Was soll man noch glauben? Alles hat verschiedene Seiten, muss differenziert betrachtet werden. Weil in Thüringen das Infektionsgeschehen dynamischer ist, als in Niedersachsen, entschied das OVG, dass es richtig ist, nur Geimpften und von Corona Genesenen Zutritt zum Einzelhandel zu geben. Für die Thüringer Landesregierung ist das eine Bestätigung ihrer Linie – oder anders: Es ist mal keine Niederlage.
Für die Einzelhändler macht das die Situation nicht besser. Große Ketten, die auf einer üppigen Verkaufsfläche trotz Begrenzung weiter ausreichend Kunden begrüßen dürfen, kommen noch halbwegs zurecht. Für die kleinen Händler gilt das nicht. Die tragen nicht nur die Last von immer mehr bürokratischem Aufwand. Sie müssen kalkulieren, ob der noch im Verhältnis zu den Einnahmen steht. 2G birgt dann eben die Gefahr des indirekten Lockdowns. Dabei ist die Rolle des Einzelhändlers als Treiber in der Pandemie weiter nicht belegt.
Immer mehr Ausnahmen sorgen in anderen Bundesländern dafür, dass das Verständnis für die Maßnahmen zurückgeht. Das gefährdet den innerstädtischen Einzelhandel im Bestand – und es bedroht Existenzen von Menschen, von denen manche mittlerweile mehr Angst um ihr wirtschaftliches Überleben als vor dem Coronavirus haben. Auch das gehört zu einer differenzierten Betrachtung dazu. Stattdessen wird wieder nur auf Inzidenzen geschaut, um die nächste Maßnahme zu begründen.