Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
„Das Provisorium darf nicht zum Dauerzustand werden“
Die kostbare Gothaer Forschungsbibliothek steht vor dem Umzug. Der Ostturm von Schloss Friedenstein muss aufwendig saniert werden
Der große Umzug weiter Teile der Forschungsbibliothek Gotha von Schloss Friedenstein in ein Außendepot ist auf Juni verschoben worden. Das teilte am Donnerstag ein Sprecher auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Die ehemals Herzogliche Bibliothek mit ihren reichen historischen Buchbeständen und Handschriften zählt laut Experteneinschätzung zu den kostbarsten in ganz Mitteleuropa.
Doch nun muss der größere Teil der Bücher erstmals in der Geschichte des Hauses seit 1647 von seinem angestammten Platz weichen, weil der Ostturm der barocken Schlossanlage statisch extrem gefährdet ist. Eine Notsicherung des Turmes mit einem Stahlkorsett für tragende Stützpfeiler hat bereits stattgefunden, doch das eigentliche Ausmaß der Schäden lasse sich erst nach aufwendigen Untersuchungen durch Bauingenieure und -forscher, Restauratoren sowie weitere Fachleute substanziell einschätzen, hieß es. Schon dazu muss der Ostturm leergezogen werden.
Der Umzug von etwa 9600 Regalmetern Büchern, vorwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhundert, stelle „eine große logistische Herausforderung“dar, sagte der Bibliothekssprecher. Dafür kalkuliere man einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen ein; während dieser Frist werde der Turm unter präziser statischer Überwachung stehen, damit durch die Entlastung von den tonnenschweren Gewichten keine weiteren Schäden an der fragilen Bausubstanz entstehen.
Als neues Außendepot der Forschungsbibliothek hat man ein Objekt in relativer Nähe, jedoch außerhalb der Stadt selbst gefunden. Dort werden nun Rollregalanlagen installiert; zugleich wird das Gebäude mit Sicherheitstechnik aufgerüstet. Auch während der Prüf- und späteren Sanierungsarbeiten am Ostturm des Friedensteins soll die Bibliothek unbedingt arbeitsfähig bleiben. „Das Provisorium im Außendepot darf aber auf keinen Fall zum Dauerzustand werden“, mahnte der Sprecher eindringlich.
Derzeit gilt es sogar als eher unwahrscheinlich, dass der komplette Bestand nach einer erfolgreichen Turmsanierung wieder an Ort und Stelle zurückkehren kann – zu groß wäre offenbar die statische Belastung. Als Alternative diskutiert man etwa über einen Magazin-neubau am Perthesforum; Konkretes steht indes längst noch nicht fest.
Die Schlösserstiftung in Rudolstadt, Eigentümerin des Friedensteins, hat großes Verständnis für die akribisch seriöse Vorgehensweise der Bibliotheksleute. Für die Bauarbeiten im Turm gebe es noch keinen fixen Zeitplan, hieß es. Die komplette Schlosssanierung für insgesamt 110 Millionen Euro soll bis Mitte der 2030-er Jahre fertig sein.