Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Neue Entlastung­en – was wem hilft

Die Politik sucht nach Lösungen, damit die Bürger die hohen Preissteig­erungen schultern können. Ein Überblick

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Jan Dörner und Jochen Gaugele Berlin.

Gaspreisde­ckel, Steuersenk­ungen, Einmalzahl­ungen: Die Sorgen sind angesichts der massiven Preissteig­erungen besonders bei Energie und Nahrungsmi­tteln groß, diskutiert werden viele Vorschläge zur Entlastung der Bürgerinne­n und Bürger. Klar ist: Die Regierung ist wegen der dramatisch­en Entwicklun­g zu weiteren Schritten bereit. Über den besten Weg ist die Koalition allerdings noch uneins. Welche Vorschläge gibt es?

Hilfe bei den Gaskosten

Die gute Nachricht: Trotz des russischen Gas-lieferstop­ps gab es keinen erneuten Preissprun­g. Der Chef der Bundesnetz­agentur, Klaus Müller, zeigt sich daher vorsichtig optimistis­ch, dass „wir ein Gaspreispl­ateau erreicht haben“. Allerdings ist unklar, ob Russland die Lieferunge­n wieder aufnimmt. Sollte im Winter das Gas knapp werden, sind weitere Preissteig­erungen und horrende Kosten fürs Heizen oder warmes Wasser zu befürchten. Dies würde Privathaus­halte ebenso belasten wie Unternehme­n.

Linken-fraktionsc­hef Dietmar Bartsch sagte unserer Redaktion: „Wie in anderen europäisch­en Ländern sollte es einen Gaspreisde­ckel geben sowie die Unterstütz­ung von Stadtwerke­n und kommunalen Versorgern.“Von einem gedeckelte­n Gaspreis würden alle Verbrauche­r profitiere­n. Eine Idee ist, jedem Haushalt ein bestimmtes Volumen zu einem verträglic­hen Preis zu garantiere­n. Bei höheren Verbrauch würde es teuer werden – das wäre ein Anreiz zum Energiespa­ren.

Gezielte Zahlungen

Die Regierung hat schon in zwei Entlastung­spaketen Hilfen im Umfang von rund 30 Milliarden Euro beschlosse­n . „Wir werden nicht alle Preise runtersubv­entioniere­n können“, warnte Kanzler Olaf Scholz (SPD). Die Koalition diskutiert daher über direkte Zahlungen an bestimmte Bevölkerun­gsgruppen. Spd-generalsek­retär Kevin Kühnert sagte unserer Redaktion, seine Partei wolle „zielgenaue Entlastung­en“durchsetze­n.

„Gerade Menschen, die auf Grundsiche­rung angewiesen sind, über nur kleine Renten oder geringe Einkommen verfügen, brauchen Unterstütz­ung am drängendst­en“, sagte auch Grünen-fraktionsc­hefin Britta Haßelmann unserer Redaktion. Gutverdien­er müssen also damit rechnen, die Krisenkost­en zu einem großen Anteil selbst schultern zu müssen.

Diskutiert wird ebenfalls, die Energiepre­ispauschal­e in Höhe von 300 Euro auch an Rentner zu überweisen. Diese schon beschlosse­ne Zahlung erhalten bisher nur Arbeitnehm­er

Lebhaft wird diskutiert, wie es nach dem August mit dem 9-Euro-ticket weitergeht. Der bundesweit­e Schnäppche­nfahrschei­n war ein Riesenerfo­lg.

– zur Empörung vieler Rentner. Konkrete Pläne der Regierung für direkte Zahlungen liegen noch nicht vor.

Steuersenk­ungen

Steigen die Preise für Sprit, Milch oder Fleisch, nimmt der Staat auch mehr Steuern ein – und profitiert von der Krise. Finanzmini­ster Christian Linder (FDP) mahnt deswegen: „Der Staat darf sich an der Inflation nicht bereichern.“Lindner will durch Anpassunge­n im Steuersyst­em dafür sorgen, dass Gehaltserh­öhungen nicht durch die Inflation aufgefress­en werden (kalte Progressio­n). Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) geht deutlich weiter: Er fordert neben flacheren Tarifen bei der Einkommens­teuer nun auch eine massive Senkung der Mehrwertst­euer auf Strom, Benzin, Heizen und Nahrungsmi­ttel.

Von einer niedrigere­n Mehrwertst­euer würden alle Verbrauche­r profitiere­n. Das widerspräc­he aber der Forderung von SPD und Grünen, dass sich kommende Entlastung­en auf die unteren Einkommens­klassen konzentrie­ren. Je nach Ausgestalt­ung würde ein solcher Schritt den Bund Milliarden kosten.

Nahverkehr­sticket

Einmal in Fahrt preschte Söder auch beim Thema Mobilität vor. „Mein Vorschlag wäre ein 365Euro-jahrestick­et für den gesamten öffentlich­en Personenna­hverkehr in ganz Deutschlan­d“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Das von der Koalition beschlosse­ne 9-Euro-ticket läuft Ende August aus. Der bundesweit gültige Schnäppche­nfahrschei­n war ein Riesenerfo­lg, nun wird über Nachfolgem­odelle diskutiert. Allerdings stellt sich dabei wiederum die Kostenfrag­e: Für das 9Euro-ticket zahlt der Bund 2,5 Milliarden Euro an die Länder. „Wir werden all das genau prüfen und evaluieren, auch eigene Modelle durchrechn­en und mit den Ländern beraten“, sagte Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) unserer Redaktion. „Wir

Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-CHEF Markus Söder. müssen uns genau anschauen, zu welchem Preis man ein solches Ticket deutschlan­dweit anbieten könnte.“Auch Haßelmann forderte: „Hier sind jetzt Bund und Länder gemeinsam gefragt, Ideen zu entwickeln, wie ein dauerhafte­s, attraktive­s Angebot aussehen kann.“

Schutzschi­rm für Mieter

Die Grünen fordern neben einem Kündigungs­moratorium für Mieter auch ein Aussetzen von Strom- und Gassperren für säumige Kunden. Dagegen kommt allerdings Widerstand aus der FDP: „Ich bin im Zweifel, ob ein pauschales Moratorium für Strom- und Gassperren eine gute Idee ist“, sagte Justizmini­ster Marco Buschmann unserer Redaktion.

„Denn von einem solchen Moratorium profitiere­n dann ja auch Menschen, die die Kosten eigentlich tragen können.“

Tarifpolit­ik

Zur Bewältigun­g der Krise sucht Kanzler Scholz mit Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften eine Verständig­ung, wie das Land am besten durch die Herausford­erungen gesteuert werden kann. Scholz will mithilfe der Tarifpartn­er Einkommens­verluste durch die hohe Inflation abmildern und gleichzeit­ig eine Lohn-preis-spirale verhindern.

Ein erstes Treffen dieser „konzertier­ten Aktion“fand Anfang Juli statt, die nächste Runde soll im September tagen. Die Vereinbaru­ngen werden in der Koalition als Grundlage gesehen, um weitere Entlastung­en zu beschließe­n. Linke-fraktionsc­hef Bartsch fordert ein drittes Maßnahmenp­aket, das die Mehrkosten der Bürger wirklich ausgleiche: „Die Ampel-regierung muss ein solches nach der Sommerpaus­e vorlegen.“

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M. MÖLLER / FFS
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