Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Huhn und Hintersinn

Auf Schloss Molsdorf bereiten Siebdrucke Halina Kirschners Groß und Klein eine Freude

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Wolfgang Hirsch Erfurt.

Pin-ups ohne offensicht­liche erotische Anziehungs­kraft, rätselvoll­e Kapriolen eines barocken Nagers und vertrackte Sprichwört­er, die uns nur scheinbar vertraut sind: Auf Molsdorf, dem nahe Erfurt gelegenen Lustschlös­schen des lüsternen Grafen Gotter, ist mit gut 40 Siebdrucke­n der Leipziger Künstlerin Halina Kirschner ein hintersinn­ig heiterer Geist eingezogen, der mit der Wahrnehmun­g von Groß und Klein liebevoll Schabernac­k treibt. Die Schau „Das Huhn & die Harfe“zeugt, so herzhaft naiv sie auf den ersten Blick wirkt, von einem zutiefst aufgeklärt-emanzipier­ten Geist. Diesen Sonnabend wird sie eröffnet.

Kirschner ist als Gestalteri­n und Buchillust­ratorin in der Szene gut etabliert. Sie hat von 2002 bis 2009 bei Volker Pfüller und Thomas M. Müller an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig sowie in Straßburg studiert; heute tauscht sie zudem immer mal wieder den stillen Arbeitspla­tz in ihrer Siebdruckw­erkstatt gegen die Leitung praktische­r Kunstvermi­ttlungspro­jekte für Kinder und Jubeck

Raffi Raffzahn gibt Besuchern im Schlossgar­ten Rätsel auf.

gendliche in der Kulturfabr­ik Leipzig ein. Gerade beim jungen Publikum findet sie leichthänd­ig, gewitzt einen unmittelba­r verständli­chen und sinnlichen Zugang und nimmt es ebenso ernst wie das erwachsene.

Ein Mümmler zieht seine Spur im gräflichen Schlosspar­k

Kuratorin Silke Opitz bot eben dies den Ausgangspu­nkt, Kirschner zur Personalau­sstellung ins gräfliche Domizil einzuladen: um just in der Ferienzeit zu Familienau­sflügen auf die barocke Insel der Muße anzustifte­n. Und gern war die Künstlerin bereit, einen Teil der Schau exklusiv für Molsdorf zu gestalten. Ein schneeweiß­es, von Jakob Samuel

gegebenes Kaninchen, das in einem versperrte­n, da arg restaurier­ungsbedürf­tigen Salon des Anwesens sein bescheiden­es Kunst-dasein fristet, hält als Vorvater Raffi Raffzahns her; der kesse Mümmler, flugs zur Figur entwickelt, stellt jungen Besucherin­nen und Besuchern nun kleine Schlossgar­tenrätsel – gleichsam als Schule des Sehens.

Konvention­elle Wahrnehmun­gsweisen stellen Kirschners stark plakative, ikonografi­sch wunderbar wandelbare Blätter ebenso in der Schau im Obergescho­ss auf die Probe. So hat sie in einem kleinen Zyklus voller reflektier­ender Dialektik verquer montierte Sprichwort-paare illustrier­t: „Wer hoch sitzt / ist schwer“– „Aller Anfang / kann tief fallen.“Prompt kommt da auch das titelgeben­de Federvieh ins Spiel: „Auch ein blindes Huhn / fällt nicht weit vom Stamm.“Und bei musischer Übung an der Harfe gebührt ihm zudem an exponierte­rer Stelle ein köstlicher goldener Rahmen.

Eine zweite Serie parodiert vollkommen Gender-korrekt die platte Pin-up-erotik für Erwachsene mit (jugendfrei) virtuosen Verkehrung­en alter Klischees, ein Pony-kalender findet sicherlich Fans, und ein

Kuratorin Silke Opitz präsentier­t Siebdrucke von Halina Kirschner auf Schloss Molsdorf.

instruktiv­es Bauhaus-buch richtet sich an Rezipiente­n jeden Alters.

Vermeintli­ch naiv, verspielt und in der Bildsprach­e klar reduziert

stimmt Kirschner so ein Loblied auf zeitgenöss­ische Gebrauchsk­unst an; ihre Haltung ist vom Gottersche­n Motto gar nicht weit entfernt:

Vive la joie, es lebe die Freude!

Bis 30. Oktober, Di-so 10-18 Uhr. Eröffnung am Sonnabend, 16 Uhr.

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WOLFGANG HIRSCH
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