Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Neuer Ärger um neue Grundsteuer
Die Bewertung der Grundstücke und Häuser erfolgt zu oberflächlich, befürchtet Gutachter Jürgen Weingart aus Gotha
Adresse, Größe, Baujahr und das Vorhandensein einer Garage – mehr will das Finanzamt gar nicht wissen, um für die Neuberechnung der Grundsteuer den Wert des jeweiligen Hauses samt dazugehörigem Grundstück zu berechnen.
Ein Unding, findet Jürgen Weingart aus Gotha, ein erfahrener Sachverständiger. „Wann und wie wurden Finanzbehörden einem zertifizierten Sachverständigen gleichgestellt? Ist die Begutachtung durch den Sachverständigen entbehrlich geworden?“, fragt der ehemalige Gutachter nicht nur sich, sondern auch die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Eine Antwort auf seine Mail hat er bis heute nicht bekommen.
Dabei scheint sein Argument durchaus eine Erklärung wert zu sein: „Wie kann denn ein Haus ohne Begutachtung durch einen Sachverständigen bewertet werden? Spielt es für den Wert einer Immobilie wirklich keine Rolle, wie das Haus ausgestattet ist? Wurden edle oder billige Materialien verbaut, ist das Haus gedämmt oder nicht, wird mit einem alten Ofen geheizt oder einer modernen, energieeffizienten Heizung? Fußbodenheizung, Solaranlage, luxuriöse Bäder – selbst Sauna oder Swimmingpool sind heute keine Seltenheit mehr, aber eben kein Standard“, meint Jürgen Weingart. Und von daher müsse es doch einen Unterschied beim Wert machen, ob etwas davon vorhanden ist – oder eben nicht, meint der Gutachter.
„Das betrifft ja auch das Grundstück selbst“, so Weingart. „Ist der Boden durch Altlasten oder eine nahe Deponie kontaminiert? Mindern Lärm, Qualm oder Gestank aus der Umgebung, etwa einer Fabrik oder einer stark befahrenen Straße, den Wert des Grundstücks? Aus den paar Fragen des Finanzamts ergibt sich das nicht“, klagt der Sachverständige: „Wie kann da ein reeller Wert ermittelt werden?“
Wohin die aktuelle Vorgehensweise führt, hat er auch schon erfahren: „Ich wohne in einem Reihenhaus, alle Einheiten sind identisch. Das Haus meines Nachbarn ist aber angeblich weniger wert als meins – obwohl es einen Wintergarten hat und erst jüngst saniert wurde. Wer kann mir das erklären?“
Auch beim Verband Deutscher Grundstücksnutzer zeigen sich viele Mitglieder irritiert von der oberflächlichen Bewertungsmethode zu der Wertermittlung. „Da die neue
Grundsteuer an den Wert des Grundstücks anknüpfen soll, muss dieser realitätsgerecht ermittelt werden. Das ist aber nicht erfolgt“, erklärt Sprecher Frank Hufnagel. „Objektspezifische Besonderheiten wie Ausstattungsmerkmale von Gebäuden werden nicht berücksichtigt. Durch die Typisierung werden
die Grundsteuerwerte so stark nivelliert, dass die Wertunterschiede nicht mehr realitätsgerecht abgebildet werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht aber verlangt.“
Die Karlsruher Richter hatten im Jahr 2018 die alten Berechnungen der Grundsteuer gekippt, weil sie ungerecht seien. Ihr lagen Daten
aus den Jahren 1964 in West- und 1935 in Ostdeutschland zugrunde. Für ein kleines Haus in jahrzehntelangem Familienbesitz beträgt die Grundsteuer beispielsweise knapp 30 Euro, für ein ähnliches Nachbarhaus nach Verkauf und Neubewertung rund 300 Euro. Ob es bei der Neubewertung tatsächlich gerecht
zugeht, ist umstritten. Das Thüringer Finanzministerium erklärt dazu: „Der Gesetzgeber hat durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht den Auftrag erhalten, für jedes der etwa 36 Millionen Grundstücke bundesweit einen konkreten Verkehrswert zu ermitteln. Im Bundesmodell hat sich der Gesetzgeber an den marktbeherrschenden Bewertungen der Immobilienverordnung und denen des Baugesetzes orientiert und diese Regelungen für ein Massenverfahren durch weitreichende Typisierungen nutzbar gemacht.
Aus diesem Grund kann die Ermittlung eines konkreten Verkehrswertes durch einen Bausachverständigen nicht das durch den Gesetzgeber hervorgerufene Massenverfahren erfüllen, da dies zeitlich, personell, verwaltungstechnisch als auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht realisierbar ist. Würde eine solche Ermittlungsmethode den Grundsteuerwerten zugrunde liegen, wären diese überdies weitaus höher, da Dämpfungen durch gesetzliche Typisierungen wegfielen.“
Das Bundesfinanzministerium teilte dazu auch mit: „Die steuerliche Bewertung des Grundvermögens ist nicht mit einer Verkehrswertermittlung gleichzusetzen.“
Zum ersten Mal erhoben wird die neue Grundsteuer im Jahr 2025.