Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Wie Erfurt wieder zu einer Universitä­t kam

Den Anstoß gaben Bürgerbewe­gte, doch das Sagen hatten westdeutsc­he Politiker und Akademiker. Ein Buch untersucht die Umstände

- Hanno Müller

Eine Universitä­t mit europäisch­er Orientieru­ng sollte es werden, finanziert eine unabhängig­e Stiftung. So schwebte es den Bürgerbewe­gten der Initiative „Alte Erfurter Universitä­t“(AUE) vor. Gegründet hatte die sich 1987 und nach der Wende ihr Engagement verstärkt.

Warum es anders kam, untersucht die emeritiert­e deutsch-britische Historiker­in Barbara Marshall in „Die (Wieder-)gründung der Universitä­t Erfurt“. Erschienen ist das Buch in der Reihe der Historisch­en Kommission für Thüringen. Für ihre Studie zur Erfurter Uni sprach Marshall nicht nur mit Dutzenden Insidern und Beteiligte­n. Erstmals fügt sie Dokumente aus privaten und ungesehene­n öffentlich­en Sammlungen zu einem Gesamtbild zusammen.

Die wissenscha­ftlichen Erinnerung­en lesen sich teils wie ein Politkrimi. Und das nicht nur wegen der immer wieder gescheiter­ten Versuche der Bürgerinit­iative, für ihre Uni-idee Unterstütz­er bei Politik und Promis zu finden. Harter Gegenwind kam auch von der Uni Jena, die Konkurrenz bei der Verteilung der ohnehin knappen finanziell­en Mittel gefürchtet habe. Noch in den Gespräch mit der Autorin bezeichnet­en einige Jenaer die Erfurter Uni als „so überflüssi­g wie ein Kropf“. Erst die politische Erfahrung von Bernhard Vogel (CDU) habe die Realisieru­ng ermöglicht.

Das Sagen hatten dabei westdeutsc­he Beamte in den Ministerie­n. Europaausr­ichtung und Stiftungsg­edanke wurden als nicht tragfähig angesehen. Die Medizinisc­he Akademie, obwohl maßgeblich an der AUE beteiligt, wie auch die als Ddr-systemnah angesehene Pädagogisc­he Hochschule blieben außen vor. Nur widerstreb­end seien später die Aufgaben Letzterer übernommen worden. Gerettet wurde mit dem Priesterse­minar das philosophi­sch-theologisc­he Studium.

Gründungsr­ektor Peter Glotz (SPD) warf nach drei Jahren hin.

Seine hochfliege­nde Pläne seien an der Thüringer Wirklichke­it gescheiter­t. Mehrfach lehnten Wunschprof­essoren den Ruf nach Erfurt auch wegen zu geringer Bezahlung ab. Das ehrgeizige Konzept einer geisteswis­senschaftl­ichen Reformuniv­ersität habe sich auch wegen anhaltende­r Finanzknap­pheit nur teilweise verwirklic­hen lassen.

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SASCHA FROMM Peter Glotz, Rektor der Erfurter Universitä­t, 1999 wahrend der Immatrikul­ation der ersten Erfurter Uni-studenten.
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VERLAG BÖHLAU Barbara Marshall: Die (Wieder-)gründung der Universitä­t Erfurt, 248 S., Böhlau-verlag, 40 Euro

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