Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Pflegende Angehörige sind armutsgefährdet
Sozialverband nennt Lage „außerordentlich prekär“
Es ist erst einige Wochen her, als der Sozialverband VDK in Erfurt eine „Demonstration ohne Menschen“veranstaltete. Weil die, um die es ging, keine Zeit und keine Energie für die Teilnahme an solchen Aktionen haben und auch sonst weitestgehend unsichtbar bleiben: Menschen, die zu Hause Angehörige pflegen.
Den dringenden Handlungsbedarf will der Sozialverband, der im Freistaat rund 25.000 Mitglieder zählt, jetzt forciert in die Öffentlichkeit bringen, kündigte der Landesvorsitzende für Hessen-thüringen, Paul Weimann, am Mittwoch auf dem Vdk-jahresempfang an. Nicht nur mit Aktionen, sondern mit konkreten Forderungen. Dazu gehört neben einer deutlichen Anhebung des Pflegegeldes, bezahlter Arbeitsfreistellung mit Rückkehrrecht auch ein dichtes Netz von Beratungsstellen
Das Anliegen ist essenziell, denn es soll ein großes Defizit decken, das auch vom Thüringer Verein pflegender Angehöriger immer wieder kritisiert wird: Fünf Pflegestützpunkte im Freistaat sind zu wenig. Verbandsumfragen hätten ergeben, dass nicht einmal jeder zweite Betroffene genau wisse, welche Hilfen ihm überhaupt zustehen, bemerkte Paul Weimann. Vom aufwendigen Antragsprozedere, das Zeit kostet die viele Angehörige nicht haben, ganz zu schweigen. Allein das beschreibt den Beratungsbedarf. Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Pflegekassen dieser Aufklärungsaufgabe nicht immer offensiv nachkommen, weshalb er für unabhängige Berater plädiert.
Die sollen breit in der Fläche aufgestellt sein, um Familien in ihrem Umfeld aufzusuchen und zu beraten. Von Hilfsmitteln im Pflegealltag bis hin zur Unterstützung durch den Dschungel der Bürokratie.
Natürlich sei das eine Herausforderung, doch die Situation in der häuslichen Pflege sei außerordentlich prekär und es werde nicht leichter, so der Verbandschef und verwies auf die demografischen Zwänge.
Laut aktueller Statistik sind in Thüringen rund 165.000 Menschen pflegebedürftig, das sind etwa 30.000 mehr als noch 2019. Und rund 80 Prozent von ihnen werden von Angehörigen zu Hause betreut.