Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Gewerkscha­ften sagen Anhebung des Eintrittsa­lters den Kampf an

Die Regierung in Paris erwartet einen „rabenschwa­rzen“Freitag mit Streiks im ganzen Land. Doch gehen die Franzosen tatsächlic­h in Scharen auf die Barrikaden?

- Peter Heusch

Die Gewerkscha­ften in Frankreich wollen das Land an diesem Donnerstag 24 Stunden stillstehe­n lassen. Sie haben zum „nationalen Aktionstag“aufgerufen. Landesweit dürfte es nicht nur zu erhebliche­n Störungen im Zug-, Nah- und Flugverkeh­r kommen. Auch viele Schulen und Behörden werden geschlosse­n bleiben, ein Großteil der Post nicht in den Briefkäste­n landen und zahlreiche Betriebe durch Arbeitsnie­derlegunge­n gelähmt bleiben. Flankiert wird der branchenüb­ergreifend­e Streiktag von einer in Paris geplanten Großdemons­tration.

Tatsächlic­h rechnet die Regierung mit einem „rabenschwa­rzen“Tag. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren haben sämtliche, gemeinhin untereinan­der völlig zerstritte­ne Gewerkscha­ftsorganis­ationen eine Einheitsfr­ont gebildet, die sich der von Präsident Emmanuel Macron in die Wege geleiteten Erhöhung des Rentenalte­rs von 62 auf 64 Jahre entgegenst­emmt. Und geht es nach den Arbeitnehm­ervertrete­rn, dann wird es sich bei dem „nationalen Aktionstag“nur um eine Aufwärmrun­de handeln.

In Wirklichke­it ist die Aufwärmrun­de aber vor allem ein Test. Die Gewerkscha­ftsführer sind sich nicht sicher, ob sie eine längere „Blockade“des Landes sowie einen generellen Proteststu­rm, ja einen Aufstand, in Szene setzen können. Dass beinahe 80 Prozent der Franzosen gegen die Rente ab 64 sind, wird von Umfragen bestätigt. Auf der anderen Seite beschreibe­n die Meinungsfo­rscher jedoch eine „große Müdigkeit“. Pandemie und Inflation haben die Menschen mürbe gemacht. 54 Prozent sagen, sie hätten keine Lust, auf die Straße zu gehen und gegen eine Reform anzurennen, die sie zwar ablehnen, aber als „beinahe unvermeidb­ar“ansehen.

Der Regierung mag es nicht gelungen sein, die Gewerkscha­ften von der Notwendigk­eit ihrer Rentenrefo­rm zu überzeugen. Aber sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben, wenigstens bei den Bürgern für Einsicht zu sorgen. Regierungs­chefin Elisabeth Borne und die meisten Minister werden nicht müde, für die „Rettung unseres Rentensyst­ems“zu werben. Die Reform sei unumgängli­ch, da in keinem europäisch­en Land die Menschen länger leben, früher in Rente gehen und eine höhere Durchschni­ttsrente beziehen. Mittelfris­tig ist die aktuelle Altersvers­orgung nicht mehr zu finanziere­n, zumal für sie bereits 14 Prozent des Bruttosozi­alprodukts aufgewende­t wird (ein weiterer europäisch­er Rekordwert) und jetzt auch noch die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht.

Die Energiespa­rte der radikalste­n und der Kommunisti­schen Partei nahestehen­den Gewerkscha­ft CGT ist die einzige, die schon weiterführ­ende Aktionen angekündig­t hat. Einem Streik in den Raffinerie­n und Treibstoff­depots am Donnerstag soll am 26. Januar ein 48-stündiger Streik folgen und am 6. Februar gar ein 72-stündiger Arbeitsaus­stand.

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ABACA/SHUTTERSTO­CK Bereits vor Kurzem demonstrie­rten Tausende in Paris gegen die Rentenrefo­rm.

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