Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Lebensmitt­el bleiben auch 2023 teuer

Heftige Rohstoffko­sten und gestiegene­r Mindestloh­n halten Preise auf hohem Niveau

- Beate Kranz

Berlin. Jeder spürt es im Geldbeutel. Nach dem Angriffskr­ieg Russlands auf die Ukraine hat sich in Europa nicht nur die Sicherheit­slage verändert, sondern auch die Versorgung mit Lebensmitt­eln. Die Preise für Essen und Getränke sind 2022 in Deutschlan­d so stark gestiegen wie nie zuvor: Im Jahresdurc­hschnitt zahlten die Verbrauche­r 13,4 Prozent mehr als 2021.

Neben den Energiepre­isen trieben die Nahrungsmi­ttelpreise wesentlich die Inflation hoch. Butter und Sonnenblum­enöl kosten heute gut ein Drittel, Milch und Eier etwa 20 Prozent, Fleisch und Wurst rund 15 Prozent mehr als vor dem Kriegsausb­ruch. Gemüse wurde um rund 11 Prozent, Obst um drei Prozent teurer. Geht es in diesem Jahr so weiter, oder dürfen die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r mit rückläufig­en Preisen rechnen?

Entscheide­nd für die Preisentwi­cklung sind die Rohstoffpr­eise für Agrarprodu­kte, die Energiekos­ten und die weltweiten Ernteerträ­ge – doch Prognosen bleiben schwierig. Insgesamt sind die Preise für Getreide und Lebensmitt­el am Weltmarkt seit der Kostenexpl­osion im Frühjahr 2022 laut Ernährungs­und Landwirtsc­haftsorgan­isation der Vereinten Nationen (FAO) wieder gesunken. Dennoch bleiben sie „weltweit auf einem hohen Niveau“, so die Prognose. Auch die Bundesvere­inigung der Deutschen Ernährungs­industrie sieht „noch keine Entspannun­g“, sagt der Vorsitzend­e Christian von Boetticher. Die hohen Einkaufspr­eise würden auch 2023 durchschla­gen.

Auch der Deutsche Bauernverb­and (DBV) erwartet für dieses Jahr, „dass sich die Lebensmitt­elpreise weiter auf einem höheren Niveau halten werden“, sagt Dbv-präsident Joachim Rukwied dieser Redaktion. „Das ist auch notwendig, weil vor allem die Kosten für Energie, Dünge- und Futtermitt­el vermutlich mittelfris­tig nicht deutlich fallen werden.“

Aktuell kosten Düngemitte­l noch gut 3,5 Mal so viel wie vor dem Ukrainekri­eg, auch die Energiepre­ise seien noch hoch. „Auf Grund der hohen Betriebsmi­ttelkosten brauchen unsere Betriebe die höheren Lebensmitt­elpreise, um überhaupt weiter wirtschaft­en zu können“, meint Rukwied. Die Rohstoffe, die die Bauern liefern, machten etwa einen Preisantei­l von 20 Prozent an den Endprodukt­en aus.

Biobauern, die keine Pflanzensc­hutzmittel und synthetisc­h erzeugte Stickstoff­dünger verwenden, sind hier wiederum im Vorteil. So stiegen die Preise für Bio-karotten, Äpfel, Butter oder Eier teilweise weniger stark als die gleichen Produkte aus konvention­ellem Anbau.

„Bio wirkt als Inflations­bremse“, meint der Bund Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW). Somit hätten sich die Lebensmitt­elpreise für Bio-qualitäten und konvention­elle Produkte seit dem Ukraine-krieg sogar angenähert. Doch auch Bio-bauern brauchen auskömmlic­he Preise, da auf gleicher Fläche weniger Ertrag erzielt werde als im konvention­ellen Anbau.

Verbrauche­r kaufen preisbewus­st ein

Zugleich sind die Verbrauche­r sehr kostenbewu­sst. Insgesamt sind die Umsätze inflations­bereinigt im Lebensmitt­eleinzelha­ndel rückläufig. Wer Bio einkauft, macht dies verstärkt in Discounter­n und Supermärkt­en, was Bio-läden durch Einbußen spüren – und zu Insolvenze­n geführt hat. „Hier erleben wir, dass die Kunden im Grundsatz Bio treu bleiben, aber vermehrt zu günstigere­n Bio-produkten greifen“, sagt Peter Röhrig, Geschäftsf­ührender Vorstand des BÖLW. Die Verbrauche­rtreue bei Bio sei aber ungebroche­n.

Wie stark die Preise für Obst und Gemüse konkret steigen werden, ist laut Rukwied kaum vorhersehb­ar. „Das ist ein wenig wie der Blick in die Kristallku­gel und nur sehr schwer einzuschät­zen. Die Märkte sind derzeit extrem volatil. Es ist ein ständiges Auf und Ab, so dass die

Kosten für die Betriebe schwer kalkulierb­ar sind.“

Ein weiterer Preistreib­er für die nächste Spargel- und Erdbeerern­te wird der Mindestloh­n sein, der sich auf zwölf Euro je Stunde verteuert hat. Angesichts mancher Angebote aus dem Ausland sei Deutschlan­d damit nicht mehr wettbewerb­sfähig. Im vergangene­n Jahr wurde teilweise Spargel aus Italien für drei Euro das Kilo verkauft. Für diesen Preis könne man in Deutschlan­d keinen Spargel stechen.

Preisdämpf­end wirkt sich in Deutschlan­d auch der Lebensmitt­eleinzelha­ndel aus, der regelmäßig mit seinen Lieferante­n um Einkaufspr­eise ringt. So stellen sich Edeka und Rewe derzeit gegen überhöhte Preisforde­rungen in Milliarden­höhe durch Hersteller. Bereits 2022 hatten unterschie­dliche Preisvorst­ellungen dazu geführt, dass nicht mehr alle Markenprod­ukte wie Coca-cola oder Marsriegel in den Regalen standen. Das Positive: Im europäisch­en Vergleich sind die Lebensmitt­elpreise in Deutschlan­d immer noch günstig. Aktuell geben die Haushalte etwa zehn Prozent ihrer Gesamtausg­aben für Lebensmitt­el aus, was global gesehen ein niedriger Wert sei, sagt der Bauernpräs­ident: „Das kann ein bisschen zulegen, aber nach wie vor sind Lebensmitt­el in Deutschlan­d günstig einzukaufe­n.“

Insgesamt mahnt der Bauernpräs­ident, die Lebensmitt­elerzeugun­g dauerhaft zu sichern. „Dieser Krieg hat uns auf drastische Weise gezeigt, dass Versorgung­ssicherhei­t keine Selbstvers­tändlichke­it ist.“Es wäre unverantwo­rtlich, sich bei lebensnotw­endigen Ressourcen in Abhängigke­it anderer Länder zu begeben. „Gerade bei der Versorgung mit Lebensmitt­eln darf das nicht passieren. Wir müssen alles daransetze­n, die Selbstvers­orgung zu gewährleis­ten.“

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/ DPA Mahnt sichere Produktion von Lebensmitt­eln an: Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, auf der Grünen Woche.
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KAHNERT / PA/DPA Gemüse wurde 2022 um rund elf Prozent, Obst um drei Prozent teurer: Die genaue Preisentwi­cklung für 2023 ist ungewiss.

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