Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Ein neues Leben durch Willenskraft
Édouard Louis schreibt einen weiteren autobiografisch gefärbten Roman über sozialen Aufstieg
Hier ist sie wieder: Die Geschichte des jungen schwulen Eddy Bellegueule, der sich aus dem nordfranzösischen, provinziellen, desinteressierten und homophoben Milieu hocharbeitet und als gefeierter Literat und Gesellschaftserklärer Édouard Louis in der Pariser Bohème landet. Der alte Name ist abgelegt, die einst plumpe Aussprache poliert, das Aussehen verschönert. Einfach alles, was an seine soziale Herkunft erinnert, ist abgestreift.
In seinem erneut aus der eigenen Biografie gespeisten Buch „Anleider tung ein anderer zu werden“zeichnet Louis wie schon in den Vorgängerromanen den Weg aus prekären Verhältnissen ins intellektuelle Leben eines Bestsellerautors nach und unterlegt das Ganze mit einer soziologisch-kritischen Sichtweise. Dieser literarische Ansatz liegt schon länger im Trend – und wurde jüngst mit der Literaturnobelpreis-auszeichnung von Annie Ernaux befeuert, die etwas Ähnliches betreibt.
Der 29-jährige Louis sorgte schon mit seinem Debüt „Das Ende von Eddy“vor rund acht Jahren für Furore. „Anleitung ein anderer zu werden“ist im engeren Sinne eine Fortschreibung. Louis zeichnet darin den unbedingten Willen seines autobiografischen Ich-erzählers nach, dem einfachen Arbeiterschicksal, das ihm das grobe Elternhaus quasi vor die Füße wirft, aus dem Weg zu gehen. Die einzige Perspektive für ihn ist der Ausbruch. „Ich beschloss, ein neues Leben zu erlernen, allein durch Willenskraft.“Er wird schlussendlich an Frankreichs elitärster Universität in Paris aufgenommen werden.
soziale Aufstieg zeigt aber auch die Abhängigkeit von der Gunst höher gestellter Menschen: die befreundete Familie in Amiens, von der er sich die Merkmale einer kultivierten Elite abschaut; die wohlhabenden Sexpartner in Paris, die sich mit dem jungen Mann schmücken und ihn in die High So- ciety einführen.
Louis räumt nebenbei das Mär- chen ab, allein durch Bildung sei ein gesellschaftliches Emporkommen zu schaffen.