Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
„Tja, was heißt schon fertig?“
Ausblick aufs Finale: Marta Doehler-behzadi über Soll und Haben der Internationalen Bauausstellung „Stadtland“in Thüringen
Nach alles in allem zwölf Jahren und holprigem Start, mit mehrfachem Geschäftsführerwechsel, geht die Iba Thüringen ins Finale. 100 Jahre nach der Ausstellung des Weimarer Bauhauses stellt sie 40 Projekte im Land vor sowie zentral in der Schau „Stadtland. Von Thüringen lernen“: vom 5. Mai bis 29. Oktober im Eiermannbau Apolda. Wir sprachen mit Marta Doehler-behzadi. Die Stadtplanerin wechselte 2014 vom Bundesbauministerium auf den Iba-chefsessel.
Frau Doehler-behzadi, Ihr Ausstellungsgelände ist Thüringen. Was bedeutet dann, wie schon 2019, Ihre Ausstellung in der Bauausstellung?
Wir haben im Grunde genommen zwei Ausstellungen: zum einen die „Real-ausstellung“der Projekte überall dort, wo sie stehen und entstehen. Aber die Iba Thüringen ist dann eben doch ganz schön groß. Deswegen erklären wir sie zentral im Eiermannbau. Nicht so sehr in einer Projektschau wie 2019: Diesmal geht es um Erkenntnisse, Erfahrungen, Empfehlungen, die gezeigt und dann auch diskutiert werden.
Welche Erkenntnisse und Erfahrungen sind das denn zum Beispiel?
„Stadtland“ist ja ein sehr guter Titel, um Thüringens kleinteilige Siedlungsstruktur zu beschreiben – und auch dafür, dass es mindestens zwei Gründe gibt, den Fokus nicht nur auf Städte oder die ländlichen Räume zu richten, sondern auf systemische Zusammenhänge. Das betrifft etwa demografische Fragen: wo auf der einen Seite Bevölkerungsstabilisierung oder sogar Einwohnerwachstum in größeren Städten stattfindet, währenddessen die peripheren Lagen weiterhin schrumpfen, und dies bei insgesamt sinkenden Einwohnerzahlen. Hier geht es also um neue Infrastrukturen und Organisationsformen solidarischer Raumentwicklung. Zugleich verlangt der Klimawandel unbedingt neue Nachhaltigkeitsprinzipien. Wir müssen mit Leerstand, den wir bei der Iba „Leergut“nennen, und Bestandsumbau anders umgehen. Und wenn wir neu bauen, dann mit nachwachsenden Rohstoffen. Vielleicht erhält Thüringen am Ende sogar ein neues prägendes Gesicht etwa durch sehr modernen Holzbau.
Wo lässt sich dieser Holzbau bei der Iba denn schon besichtigen?
Es gibt sehr unterschiedliche Holzbauprojekte, die fertig sind. Zwei
Gesundheitskioske in Holzbauweise sind fertig, zwei weitere folgen 2023. Das „Timber Prototype House“ist ein Experimentalbau vor der Tür des Eiermannbaus, der nach allen Regeln der Kunst entstanden ist: digital entworfen, robotisch gefertigt. Die These, dass man damit die Eigenschaften des Holzes als Wärmedämmer noch vergrößern kann, hat sich in den Nachuntersuchungen bestätigt. Das andere Extrem, würde ich fast sagen, ist der selbstgebaute „Sch(l)afstall“in Bedheim. Ich glaube, dass diese Projekte so ein bisschen die Pole anbieten, zwischen denen sich der moderne Holzbau bewegen kann. Weitere Projekte entstehen.
Wie ist bei der Iba Thüringen das Verhältnis von Neubau zu Umbau?
Das ist ein Dauerthema. Wir haben ja Neubauprojekte. Das prominenteste ist vielleicht die „Stadtland Schule“in Weimar. In einer Studie wurde untersucht, ob sie sich im Bestand einer alten Ddr-plattenbauschule umsetzen lässt. Am Ende hat
man sich für Abriss und Neubau entschieden, der dafür aber auch prototypisch ist, also einen echten Mehrwert bietet. Jede Kommune, die so etwas bauen will, kann dank der „Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft“auf alle Unterlagen unter schulbauopensource.de zurückgreifen.
– Jetzt, vor dem Ende dieser Iba, würde ich aber sagen, dass angesichts dieses sich so dramatisch zuspitzenden Klimawandels der Zeitpunkt gekommen ist, radikal in Richtung von Bestandsnutzung und Ressourcen-wiedernutzung zu gehen. Vielleicht könnte man eine der Iba-empfehlungen so formulieren, bei jedem Neubau, der für erforderlich gehalten wird, erst einmal eine Pflichtrecherche durchzuführen: Geht’s nicht auch im Bestand? Dass wir mit unseren Ressourcen sinnvoller wirtschaften müssen, ist eine Erkenntnis, die fast wie eine Kurve angestiegen ist.
Ist die Iba Thüringen also im Kern doch eine Umbauausstellung?
Als Schlagwort würde ich die Stadtland-ausstellung vorziehen. Das Umbauthema ist dabei aber ein sehr großer und wichtiger Aspekt. Das Witzige ist: Wenn man Leerstand und Bestand besser nutzen will, kommt man zwangsläufig auf Stadtland-themen: Leerstände sind dort, wo sie nun mal stehen. Dann
steht etwa so ein Eiermannbau eben nicht in den nachgefragten Städten Weimar oder Jena, wo immer alle sagen: Her damit! Sondern in Apolda.
Ihr Standort ist Symbol fürs Ganze?
Ja, das sehe ich so.
Beileibe nicht alles wird 2023 fertig. Und einiges ging noch gar nicht los: der Umbau der Martinskirche Apolda zum soziokulturellen Treffpunkt oder Weimars Studentenhaus „Das 100“. Geht die Iba also doch weiter?
Die Baustellen gehen weiter. Es gibt viele fertige Sachen, die man besichtigen kann. Es gibt auch Projekte, bei denen ich sage: „Tja, was heißt schon fertig?“Wenn man die Sommerfrische-häuser Bräutigam und Döschnitz im Schwarzatal nimmt, kann ich dort wunderbare Architekturen besichtigen, die nachhaltig umgebaut werden. Die Vereine dort forschen auch zu Stadt-land-themen und neuer Gastlichkeit; das wird mit der Iba nicht enden, soll es auch nicht. Auch der Eiermannbau wird sich als „Open Factory“weiterentwickeln. Die Baustellen, die begonnen sind, werden durch die Bauherren und Projektträger fertiggestellt. Und wir setzen auf ein Ibavermächtnis: durch die laufenden Vorhaben, aber auch durch die, die erst nach 2023 beginnen. Eine Iba braucht einen Nachhall. Ihr Erfolg stellt sich erst viele Jahre nach ihrem Ende heraus.
Inwiefern ist auch das Scheitern eingepreist – wenn ich an die Ferienhäuser am Thüringer Meer denke oder die Gesundheitskirche Blankenhain?
Vom Scheitern würde ich am Thüringer Meer zum Beispiel gar nicht sprechen. Mit einem Flächeneigentümer am Standort Werft sind wir weiter im Entwicklungsprozess. Und gerade wird das Seesport- und Erlebnispädagogische Zentrum Kloster umgebaut, das wird ein großer Impuls für regionalen Holzbau. Aber tatsächlich gibt es an manchen Stellen langwierige Vorhaben, denn die Finanzierung ist das eine, Planungsrecht zu schaffen etwas anderes. Es gibt Vorhaben, die nicht gescheitert, aber verschoben worden sind. Die Gemeinde Rohrbach will immer noch was von einem Abwasserprojekt umsetzen, aber das Kernelement ist vom Zweckverband um Jahre verschoben worden. Ich hoffe, dass all das, was schon bearbeitet wurde, wieder aufgenommen wird, wenn auch nicht eins zu eins. Auch Geras Neue Mitte ist so ein Beispiel. Und die Gesundheitskirche.
Sie haben Vorhaben auch beendet.
Ja. Aber als sich „Iba meets Iba“gründete, das Netzwerk vergangener, gegenwärtiger und künftiger Bauausstellungen, wurde 2009 ein Memorandum verfasst. Darin steht an einer Stelle, dass Iba-vorhaben auch scheitern können. Und ich finde, dass gerade solche als Lernfelder taugen. Kürzlich erzählte uns der Geschäftsführer der Iba See (Lausitz 2010) von Vorhaben, die Vision geblieben sind, aber eine ganz große Rolle im Diskurs spielen. Das finde ich interessant: dass es eine visionäre Ebene gibt, die nicht unbedingt dinglich wurde, die aber im kollektiven Bewusstsein hinterlegt bleibt.
Eine Internationale Bauausstellung braucht einen Nachhall. Ihr Erfolg stellt sich erst viele Jahre nach ihrem Ende heraus. Marta Doehler-behzadi, Geschäftsführerin der Iba Thüringen
Wie kann und sollte es nach dieser Iba eigentlich weitergehen?
Es gibt einen dichten Gesprächsfaden dazu, ob und wie es weitergehen könnte, zumal viele Projektpartner sagen, dass sie ihre Vorhaben ohne die Iba nicht oder nicht so angefangen hätten. Aber da stehen wir noch im Austausch.