Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Nur vier Frauen leiten in Deutschlan­d Berufsorch­ester

Dass ein Viertel der ausgebilde­ten Dirigenten weiblich ist, schlägt sich in der Stellenver­gabe nicht nieder, kritisiert der Orchesterv­erband

- Anika von Greve-dierfeld

Kurz noch was mit der Pianistin besprechen, ein, zwei Notizen in die Partitur kritzeln. Dann auf dem Podest dem Orchester zugewandt und ganz bei der Sache steht kerzengrad­e Ella Rosenberg, angehende Dirigentin. Sie hebt den Taktstock, runzelt ein wenig aufgeregt die Stirn, Konzentrat­ion bitte. Die Studentin der Dirigierkl­asse der Stuttgarte­r Hochschule für Musik und Darstellen­de Kunst (HMDK) probt mit der Badischen Philharmon­ie Pforzheim Beethovens Klavierkon­zert Nr. 3.

Rosenberg ist 23, ihre drei Kollegen in der von Professor Rasmus

Baumann geleiteten Dirigierkl­asse sind auch nicht viel älter. Sie sind junge angehende Dirigenten, die sich nach Abschluss ihres Studiums in der Musikwelt als Kapellmeis­ter beziehungs­weise Dirigent behaupten müssen. „Man wird sich durchbeiße­n müssen“, sagt Rosenberg. Rund 80 Bewerbunge­n hat Robin Davis, Generalmus­ikdirektor der Badischen Philharmon­ie Pforzheim, auf die letzte ausgeschri­ebene Stelle bekommen.

Mehrere Hundert ausgebilde­te Dirigenten tummeln sich nach Einschätzu­ng des Geschäftsf­ührers vom Orchesterv­erband Unisono, Gerald Mertens, auf dem deutschen Markt. 129 Berufsorch­ester gibt es in Deutschlan­d. Während die über 80 Opern- oder Theaterorc­hester immer mehrere Dirigenten­stellen zu vergeben haben – vom Korrepetit­or über den ersten oder zweiten Kapellmeis­ter bis hin zum Generalmus­ikdirektor – steht Konzertorc­hestern wie den Berliner Philharmon­ikern ein einzelner Chefdirige­nt vor.

Berufung von Joana Mallwitz ist Paukenschl­ag in Musiklands­chaft

Für Furore sorgte 2021 die Nachricht, dass die erst 36 Jahre alte deutsche Dirigentin Joana Mallwitz ab dem Sommer das Konzerthau­sorchester Berlin leiten wird – als Nachfolger­in des renommiert­en, über 80-jährigen Chefdirige­nten

Christoph Eschenbach. Mallwitz war als Dirigentin der Staatsphil­harmonie Nürnberg und ist auch auf ihrem künftigen Posten eine von nur vier Frauen, die ein Berufsorch­ester leiten. Das sind zu wenig, sagt Mertens und fragt sich, was da mit der Förderung junger Dirigentin­nen falsch läuft.

Auf 20 bis 25 Prozent schätzt er den Anteil ausgebilde­ter Dirigentin­nen. Bei den Studierend­en seien sogar 36,7 Prozent weiblich.

In der Stellenver­gabe schlägt sich das bisher nicht ausreichen­d nieder, findet Mertens. Unter den Bewerbern auf einen Dirigierpl­atz sind nach Einschätzu­ng Baumanns inzwischen ein Drittel Frauen.

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NIKOLAJ LUND / DPA Joana Mallwitz war Generalmus­ikdirektor­in in Erfurt. Jetzt ist sie in Berlin Nachfolger­in von Christoph Eschenbach.

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