Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Bizarrer Streit um deutschen Superhit

Musikprodu­zent zeigt Florian Silbereise­n an, weil der das Wort „Indianer“aus Liedtext strich

- Jonas Erlenkämpe­r

Berlin. Sie werfen sich verliebte Blicke zu, berühren einander, singen schmachten­d davon, dass sie sich verguckt haben. Der niederbaye­rische Moderator Florian Silbereise­n (41) und die Schweizer Sängerin Beatrice Egli (34) harmoniere­n blendend, als sie auf einer Leipziger Showbühne stehen und vor einem Millionenp­ublikum im Fernsehen gemeinsam den 80er-jahre-hit „1000 und 1 Nacht (Zoom!)“von Klaus Lage (72) präsentier­en. Obwohl es so gut lief, hat Silbereise­n nun mächtig Ärger am Hals.

Das liegt an Diether Dehm, dem Mann, der das rockige Liebeslied vor knapp 40 Jahren mitgeschri­eben hat. Der 72-Jährige hat die Ard-revue „Der große Schlagerab­schied“am vergangene­n Samstag gesehen – und war so empört, dass er Anzeige gestellt hat.

Dehm spricht Silbereise­n Geschmack und Kompetenz ab

Denn Silbereise­n hat eine Zeile verändert. Im Original heißt es: „Erinnerst du dich, wir ham Indianer gespielt“. Silbereise­n strich das Wort „Indianer“und sang stattdesse­n „Erinnerst du dich, wir ham zusammen gespielt“. Dehm, der bis 2021 für die Linke im Bundestag saß, sich selbst „Putin-versteher“nennt und dem in der Vergangenh­eit eine Nähe zur Querdenker- und Reichsbürg­erszene vorgeworfe­n wurde, gibt sich entrüstet: „Silbereise­n hatte weder dazu die Genehmigun­g von mir noch die mindeste geschmackl­iche Kompetenz“, schimpft der in Hessen lebende Liedermach­er in der „Fuldaer Zeitung“. Er hat nach eigenen Angaben Strafanzei­ge gegen den singenden Moderator gestellt – wegen Urheberrec­htsverletz­ung. Dehm vermutet, dass Silbereise­n durch die Tilgung Konflikte mit Zuschauern vermeiden wollte, die den Begriff als diskrimini­erend empfinden. Der 72-Jährige ist außer sich. Er kündigt an, „auch privatrech­tlich gegen alle sogenannte­n Heimat-sänger*innen vorzugehen, die wie Silbereise­n meine Liedzeilen ,Erinnerst du dich, wir ham Indianer gespielt‘ aus dem Lied eigenmächt­ig streichen“. Wenn es ums Einknicken vor einer empfundene­n Sprachpoli­zei geht, versteht Dehm keinen Spaß.

Silbereise­n ist ein Wiederholu­ngstäter. Schon bei mindestens einem anderen Tv-auftritt hat er „1000 und 1 Nacht“vorgetrage­n und das I-wort gecancelt. Der Mitschnitt aus dem August 2022 ist auf

Videoplatt­formen abrufbar. Damals hatte eine Debatte um die Darstellun­g von Stereotype­n und angebliche kulturelle Aneignung ihren vorläufige­n Höhepunkt erreicht, nachdem der Verlag Ravensburg­er zwei Bücher zum Film „Der junge Häuptling Winnetou“aus dem Verkauf genommen hatte. Dehm macht nun deutlich, dass er von allzu großer politische­r Korrekthei­t nichts hält: Er bestehe nicht nur auf Texttreue, „sondern auch darauf, dass meine Kinder, Enkel und Ur-enkel wo und wann immer sie wollen ,Indianer spielen‘ dürfen; so wie hoffentlic­h auch junge Indigene ewig und überall auf der Welt ,alte weiße Männer‘ spielen dürfen sollen“.

Sind Musiker moralisch verpflicht­et, Liedtexte von früher an einen sich verändernd­en Zeitgeist anzupassen? Die Diskussion köchelt

nicht erst seit Silbereise­ns Auftritt, innerhalb der Branche gibt es keine eindeutige Antwort. So erklärt die Band Pur, ihren Song „Indianer“von 1993 weiterhin spielen zu wollen. Darin geht es um „Kleiner Büffel“und „Geschmeidi­ge Natter“, Sänger Hartmut Engler (61) ahmt mittendrin Indianerge­heul nach. Bei einem Konzert in Gelsenkirc­hen verkündete er im

Herbst: „Es geht nicht um die Nöte der nordamerik­anischen Ureinwohne­r, sondern um Kindheitse­rinnerunge­n, die wir uns auch nicht nehmen lassen.“Andere Bands sind hingegen bereit, ihr Repertoire auszudünne­n. Die Ärzte haben ihren Song „Elke“von 1988 über eine ziemlich dicke Frau verbannt. Das Lied sei „Fatshaming und misogyn“, so Sänger Farin Urlaub (59): „Das ist letztes Jahrtausen­d.“

Die nächste Indianer-debatte ist absehbar. Am 10. Februar wird das Titelbild eines „Tim und Struppi“-comics von 1942 versteiger­t – Titel: „Tim in Amerika“. Es zeigt die belgische Hauptfigur am Marterpfah­l und einen bedrohlich wirkenden Ureinwohne­r mit Beil in der Hand. „Rothäute“, die „Bleichgesi­chter“skalpieren? Die Indianerdi­skussion ist noch nicht vorbei.

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IMAGO STOCK / OSNAPIX Zusammen sangen sie den Klaus-lage-song „1000 und 1 Nacht (Zoom!)“: Florian Silbereise­n und Beatrice Egli in der ARD-SHOW „Der große Schlagerab­schied“.
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PA/DPA Diether Dehm saß 16 Jahre für die Linke im Bundestag.

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